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Open-Media-Studies-Blog

Digitale Medien und Methoden

Andreas Weich über die Medienkonstellationsanalyse

16.6.2020

In unserem Beitrag Die Medienwissenschaft im Lichte ihrer methodischen Nachvollziehbarkeit haben wir (Laura Niebling, Felix Raczkowski, Maike Sarah Reinerth und Sven Stollfuß) dazu aufgerufen, über «gegenstandsbezogene Methoden und Ansätze» zu sprechen. Zur Vorbereitung auf das von uns in diesem Zusammenhang geplante Methoden-Handbuch Digitale Medien und als Beitrag zu einer offenen Methodendiskussion im Fach kuratieren wir in den kommenden Monaten eine Sonderreihe zu «Digitale Medien und Methoden» im Open-Media-Studies-Blog mit ‹Werkstattberichten› zu den in der medienwissenschaftlichen Forschung eingesetzten Methoden.

Im fünften Beitrag der Sonderreihe schreibt Andreas Weich über die Medienkonstellationsanalyse, die er im Kontext der Forschung und Lehre zu Fragen der Medienbildung weiterentwickelt hat. Weich stellt dar, wie man die wechselseitigen Zusammenhänge von Materialitäten, Inhalten, Subjektpositionen, Wissensbeständen und Praktiken in bestimmten Medienkonstellationen in einer anwendungsorientierten Analysesystematik herausarbeiten und nachvollziehbar, auch in interdisziplinären Kontexten, untersuchen kann.

Forschungsthema

Das Medienkonstellationsmodell ist aus einem anwendungsorientierten und interdisziplinären Kontext hervorgegangen.1 Das Desiderat war ein Modells, das es ermöglicht, gemeinsam mit Vertreter_innen anderer Disziplinen und Praktiker_innen analytische medienwissenschaftliche Perspektiven und Fragestellungen zu entwickeln bzw. ihnen etwas an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie selbst Medien analysieren und reflektieren können. Eine zentrale Maßgabe war dabei, dass damit die Vielfalt und Komplexität medienwissenschaftlicher Theorien auf ein möglichst einfaches Niveau heruntergebrochen wird, man ihnen gleichzeitig aber noch gerecht werden kann. Konkret kam es bisher in Workshops und Onlinekursen für Lehrende an Schulen und Hochschulen, in fächerübergreifenden und medienwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen sowie in meiner eigenen Forschung zu Medien und Bildung zum Einsatz. Dabei nehme ich Medienkonstellationen sowohl als Gegenstand von Bildungsangeboten (Bildung über Medien) als auch in der Analyse und Gestaltung von Bildungsangeboten (Bildung mit Medien) in den Blick.

Zugang

Das Modell

Das Medienkonstellationsmodell geht davon aus, dass Medien nicht als distinkte Objekte beschreibbar sind, die für sich genommen mediale Eigenschaften aufweisen. Medialität konstituiert sich stattdessen nur durch ein bedeutungsgenerierendes Zusammenspiel aus Materialitäten, Wissen/Praktiken, Inhalten und Subjektpositionen. Sie schließt dabei an Überlegungen von Marcus Burkhardt zu medialen Konfigurationen und medialen Konstellationen an und geht gleichzeitig mit Hartmut Winkler davon aus, dass sich Medienkonstellationen von allen anderen Konstellationen dadurch unterscheiden, dass sie eine ‹Sphäre des Symbolischen› konstituieren.2

Abb. 1: Schematische Darstellung des Medienkonstellationsmodells (eigene Darstellung)

Die Idee der Medienkonstellation ist als Heuristik zu verstehen, die einerseits die Modellierung von Medien ohne eine verkürzende Identifikation mit der (insbesondere digitalen) Technik, und andererseits die Analyse der derart modellierten Medien anhand eines einfachen Rasters erlaubt.

Beispiel

Die Medienkonstellation, in der Sie sich als Leser_in gerade befinden, involviert auf der materiellen Ebene vermutlich ein digitales Endgerät und zwangsläufig Ihre Körperlichkeit zur Wahrnehmung und Handhabung sowie einen Raum mit einer bestimmten Beschaffenheit – sei es ein Büro oder ein Zugabteil. Auf inhaltlicher Ebene zeichnet sie sich durch schriftliche und grafische Aussagen über Medienkonstellationsanalyse aus. Auf Ebene der Subjektpositionen lassen sich mindestens meine Autorenposition als auch Ihre als Leser_in unterscheiden. Auf Ebene der Wissensbestände und Praktiken mein Wissen und meine Praktiken wissenschaftlichen und gleichzeitig blogadäquaten Schreibens, die ich zum Erstellen des Textes benötigt habe, als auch Ihre Wissensbestände und Lektürepraktiken, auf die Sie zum Lesen des Textes zurückgreifen. Das Endgerät allein wäre, salopp formuliert, kein Medium, sondern lediglich Elektroschrott, würden die übrigen Elemente der Medienkonstellation fehlen.

Verfahrensschritte

Damit ist bereits der erste Schritt einer Medienkonstellationsanalyse angesprochen: die deskriptive Bestandsaufnahme. Die Leitfrage in diesem Schritt lautet: Welche Elemente (Materialitäten, Wissen/Praktiken, Subjektpositionen, Inhalte) sind vorhanden und für die Konstitution der symbolischen Komponente/Bedeutung bzw. das jeweilige Erkenntnisinteresse relevant?

Um diese Frage einigermaßen differenziert zu beantworten, können und müssen je nach Medienkonstellation und Erkenntnisinteresse unterschiedliche Methoden und Verfahren genutzt werden.

Materialitäten

Am obigen Beispiel verdeutlicht, geht es darum, das digitale Endgerät zu benennen und ggf. seine Eigenschaften wie auch die Infrastrukturen im Hintergrund zu beschreiben. Für den_die fiktive_n Leser_in Person X wäre es exemplarisch ein Tablet, das sich durch audiovisuelle Aus- und Eingabemöglichkeiten, einen Browser und verschiedene Apps, Mobilität und Konnektivität über WLAN auszeichnet. Um diesen Blogbeitrag lesen zu können, braucht es zusätzlich eine Infrastruktur, die das WLAN bereitstellt und einen Server, auf dem der Artikel abgelegt ist. Sie sitzen am Fenster eines Zweierplatzes in einem Großraumabteil. Ihre eigene Körperlichkeit ist durch eine im Normalbereich verortbare Konstitution und Funktionalität gekennzeichnet, abgesehen von einer leichten Sehschwäche. All dies kann durch Beobachtung/Beschreibung, Technikanalyse und ggf. eine Befragung von X erfasst werden.

Wissen/Praktiken

Ebenfalls der Beobachtung zugänglich sind die Lektürepraktiken von Person X. Sie notiert beim Lesen in einem Textverarbeitungsprogramm zentrale Aussagen des Textes, überträgt einige Passagen via copy/paste, folgt ausgewählten Links und speichert sie im Browser ab. Sie nutzt dabei die Vergrößerungsfunktionen des Tablets. Im Raum verhält sie sich stationär, bleibt also auf ihrem Sitz und vermeidet Gespräche mit den übrigen Fahrgästen. Die Wissensbestände, auf die sie zurückgreift sind nicht direkt zu beobachten, aber es lassen sich begründete Vermutungen anstellen, die teilweise über eine Befragung von X belegt werden könnten. Bei quantitativ orientierten Forschungsdesigns könnten auch die Nutzungsdaten erfasst werden (z.B. Scrollgeschwindigkeit, Verweildauer auf den verlinkten externen Seiten).

Inhalte

Der Blogbeitrag selbst stellt den Inhalt der Medienkonstellation dar. In Anlehnung an Luhmann ist er die konkrete Form, die sich aus dem Medium (also den in der Medienkonstellation verfügbaren Elementen) ergibt. Er ist gut verfügbar und mit beschreibbar.

Subjektpositionen

X ist als Subjekt verortet als einen wissenschaftliche Blogbeiträge am Tablet lesende Person mit einer leichten Sehschwäche. Hier wird bereits deutlich, dass die Subjektposition am wenigsten losgelöst von den Materialitäten, Wissen/Praktiken und Inhalten beschrieben werden kann, sondern sich aus ihnen ergibt. Damit leitet sie über zur Analyse der Wechselwirkungen.

Nach der Bestandsaufnahme folgt die eigentliche Konstellationsanalyse. Die Leitfrage lautet: Wie stellen sich die Elemente im konkreten Fall dar und in welchen Wechselwirkungen stehen sie untereinander?

Die Elemente selbst können zunächst für sich genommen im Vergleich zur Bestandsaufnahme nochmals genauer betrachtet werden. So können im obigen Beispiel einzelne Funktionalitäten des Tablets analysiert oder die Praktiken in ihre Bestandteile zerlegt und mit Beschreibungen medienkultureller Praktiken in Bezug gesetzt werden. Der Blogbeitrag selbst kann inhalts- und diskursanalytisch untersucht und die Subjektposition kann mit in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Subjektkonzepten abgeglichen und verknüpft werden.

Darüber hinaus können die Wechselwirkungen zwischen den Elementen untersucht werden. Wie aus den sechs Doppelpfeilen in der Strukturdarstellung abzulesen ist, lassen sich zwölf übergeordnete Leitfragen aus dem Modell heraus generieren:

Wie beeinflussen…

  • ... Materialitäten die Inhalte?

  • ... Materialitäten die Subjektpositionen?

  • ... Materialitäten die Wissensbestände und Praktiken?

  • ... Inhalte die Materialitäten?

  • ... Inhalte die Subjektpositionen?

  • ... Inhalte die Wissensbestände und Praktiken?

  • ... Subjektpositionen die Materialitäten?

  • ... Subjektpositionen die Inhalte?

  • ... Subjektpositionen die Wissensbestände und Praktiken?

  • ... Wissensbestände und Praktiken die Materialitäten?

  • ... Wissensbestände und Praktiken die Inhalte?

  • ... Wissensbestände und Praktiken die Subjektpositionen?

Auch wenn das Verständnis der Elemente voraussetzungsreich ist (nicht jede_r kann mit dem Begriff «Subjektposition» unmittelbar arbeiten) und die Fragen abstrakt erscheinen, können alle Leitfragen sowohl intuitiv und «fachfremd» (z.B. aus Alltagsdiskursen oder anderen wissenschaftlichen Disziplinen heraus) beantwortet, als auch mit medien- und kulturwissenschaftlichen Theorien verknüpft werden. Da das Medienkonstellationsmodell eine Heuristik ist, müssen an dieser Stelle andere Ansätze hinzugezogen werden, um zu modellieren, was beeinflussen jeweils meint.

In der wissenschaftlichen Arbeit können beispielsweise Materialitäten auf Affordanzen und Einschreibungen hin untersucht werden. Im obigen Beispiel ergibt sich die Praktik des Vergrößerns des Textes aus den technischen Möglichkeiten (Zoom) und den körperlichen Voraussetzungen (Sehschwäche), das Aufrufen von Links und das Kopieren und Einfügen von Inhalten aus den entsprechenden Affordanzen und Praktiken. Gleichzeitig kann die Frage aufgeworfen werden, ob z.B. die Praktiken wissenschaftlicher Lektüre oder die Subjektposition des/der (Medien)Wissenschaftlers_in die Nutzung der technisch vorhandenen und mit Affordanzen verbundenen Kommentarfunktion verhindert. Die Inhalte können auf interpellative Gehalte untersucht werden, beispielsweise insofern Person X als Leser_in in die Subjektposition eines_r (Medien)Wissenschaftlers_in adressiert wird (spätestens durch die an dieser Stelle vorgenommene Behauptung). Alles zusammen könnte beispielsweise als Akteurnetzwerk, mit medienökologischen Arrangement oder Situationen interpretiert und/oder mit Dispositiven verknüpft werden. Im Stil einer Grounded Theory könnten die Beschreibungen, Analysen und Interpretationen in empirischen Arbeiten mit einer größeren Zahl von Fällen über Codierungen systematisiert und zur Erarbeitung von Thesen genutzt werden.

Gerade im inter- und transdisziplinären Austausch zeigt sich dabei ein spezifischer Vorteil des Medienkonstellationsmodells für die Analyse digitaler Medien. Denn während in vielen Diskursen zur Digitalisierung unklar bleibt, welche Rolle Digitalität an sich spielt, was eigentlich digitalisiert wird, kann Digitalität in dem Modell nur auf Ebene der Materialitäten oder ggf. der Form des Inhalts in Anschlag gebracht werden. So kommen bei der Analyse digitaler Medien systematisch auch analoge Bestandteile in den Blick bzw. auch solche, die sich der Aufteilung in digital/analog gänzlich entziehen.

Eigene Ausgestaltung

Theoriearbeit

In meiner Theoriearbeit, in der ich vor allem Medien- und Bildungstheorien miteinander zu verknüpfen versuche, nutze ich das Modell zum einen dazu, Theorien systematisch ins Verhältnis zueinander zu setzen, indem ich prüfe, welche Theorien welche Wechselwirkungen innerhalb von Medienkonstellationen modellieren und welche Schnittstellen und (In)Kompatibilitäten zwischen den Theorien sich daraus ergeben. So lässt sich das Modell als Scharnier zwischen beispielsweise Dispositivtheorie und strukturaler (Medien)Bildungstheorie nutzen oder zum systematischen Aufdecken der aus medienwissenschaftlicher Sicht vorhandenen Leerstellen bildungsbezogener Modelle, wie z.B. dem TPACK- oder dem DigCompEdu-Modell.3

Empirie

In der empirischen Erhebung z.B. von Medienkonstellationen in Bildungskontexten nutze ich das Modell in erster Linie zur Strukturierung von Beobachtungen und zur Erstellung von Interviewleitfäden, indem ich systematisch auf die Elemente und ihre Wechselwirkungen achte. Je nach Erkenntnisinteresse werden dann einige von ihnen fokussierter und differenzierter in den Blick genommen als andere. Gerade in zeitkritischen Erhebungssituationen wie der Unterrichtsbeobachtung ist eine rigide Priorisierung unabdingbar.

Analyse und Interpretation

In der interpretativen Analyse nutze ich das Modell zur systematischen Generierung von Fragestellungen auf Grundlage der zwölf Leitfragen. Als nachgelagerten Schritt wähle ich dann geeignete Referenztheorien aus, um die Wechselwirkungen ihrerseits nochmals differenzierter zu modellieren und methodisch zu bearbeiten. In den meisten Fällen greife ich dabei auf diskurs- und dispositivtheoretische sowie praxeologische Konzepte zurück. Daneben greife ich auch auf solche zur Einschreibung von Materialitäten/Medialitäten in Inhalte (Krämer, Winkler, Kittler), zum Wechselspiel aus Verfestigung und Verflüssigung (Winkler) oder auch Actor-Network-Theory (Latour) und Situationsanalyse (Clarke) zurück.

Lehre und Transfer

In der Lehre und im inter- und transdisziplinären Transfer ermöglicht mir das Modell durch seinen heuristischen Charakter, medienwissenschaftliche Fragestellungen zu veranschaulichen bzw. gemeinsam mit den jeweiligen Akteur_innen zu entwickeln und zu bearbeiten. Gerade im Lehrkontext hat es sich auf zwei Ebenen bewährt: Zum einen formuliert es eine eigene These zu einer medientheoretischen Kernfrage (die Konstitution von Medialität) und liefert ein Raster zur Medienanalyse. Zum anderen funktioniert es als Meta-Modell, über das Studierende unterschiedliche theoretische und analytische Ansätze zueinander ins Verhältnis setzen können – insofern z.B. Dispositiv-Theorie und Actor-Network-Theory bestimmte Elemente und Wechselwirkungen von Medienkonstellationen thematisieren und modellieren, aber dies auf je unterschiedliche Weise.

In der praktischen Arbeit, z.B. bei der Reflexion und Gestaltung didaktisch funktionaler Medienkonstellationen mit Lehrenden und Lehramtsstudierenden, nutze ich die Analyse sowohl als Grundlage für die Planung als auch für die Reflexion der ggf. problematischen Wechselverhältnisse zwischen bestimmten Elementen der jeweiligen Medienkonstellation. Wenn beispielsweise Lehrende mit bestimmten Praktiken im Umgang mit iPads (im Sinne von Materialitäten) nicht vertraut sind, ändern sich gegebenenfalls die Subjektpositionen von Lehrenden und Lernenden, insofern Schüler_innen ihren Lehrer_innen etwas beibringen können. Über das Modell lässt sich dann konstruktiv darüber nachdenken, ob diese neue Subjektposition z.B. für die Lehrperson wünschenswert ist oder sie sich lieber die notwendigen Praktiken aneignen möchte.

Erfahrung

Komplexitätsreduktion bei gleichzeitiger Bewahrung von Komplexität

Zunächst reduziert das Verfahren auf pragmatische Weise die für geisteswissenschaftliche Analysen überbordende «alles hängt mit allem zusammen»-Problematik in ein begrenztes Set aus Elementen und Wechselwirkungen. Für die heuristische Strukturierung meiner analytischen Überlegungen hat sich diese Komplexitätsreduktion bewährt, da sie die Dinge zwar zunächst vereinfacht, aber im zweiten Schritt die Komplexität wieder auf ein hinreichendes Niveau gesteigert und an medienwissenschaftliche Theorien und Verfahren rückgebunden werden kann.

Diese Qualität zeichnen das Modell und die Methode auch im inter- und transdisziplinären Austausch aus, da es gelingt, strukturiert über medienwissenschaftliche Fragen ins Gespräch zu kommen, ohne dass alle Beteiligten medienwissenschaftliche Wissensbestände mitbringen müssen und gleichzeitig je nach Bedarf immer entsprechende Theorien eingebracht werden können. Tatsächlich ist jedoch in fachfremden Kontexten zunächst ein gewisser Aufwand nötig, um das Modell verständlich zu machen.

Grenzenlosigkeit

Die Erfahrung zeigt, dass eine Medienkonstellationsanalyse – wie andere Verfahren – dazu tendiert, im Hinblick auf das zu beachtende Material auszuufern, insofern z.B. potenziell allem und jedem in einer Medienkonstellation Relevanz zugesprochen werden kann. Am obigen Beispiel der Medienkonstellation, die sich im Moment der Lektüre dieses Blogbeitrags ergibt: Sollten nicht auch weitere Materialitäten einbezogen werden, die den Text bereitgestellt haben (Router, Kabel, Antennen, …), die informatischen und elektrotechnischen Diskurse, die das für die Konstruktion notwendige Wissen konstituiert haben, die Praktiken wissenschaftlicher Qualitätssicherung, die auf den Text angewendet wurden, usw.? Eine Herausforderung liegt also in der pragmatischen Einschränkung, die sich z.B. über die übergeordnete Fragestellung oder ganz praktische Umsetzbarkeitsgrenzen ergibt.

Partikularität und Verallgemeinerung

Die Erfahrung zeigt ebenfalls, dass die Analyse von Medienkonstellationen zunächst immer partikular ist, insofern z.B. die je spezifischen Endgeräte, die beim Lesen dieses Blogbeitrags verwendet werden, jedes räumliche Arrangement, eigene Medienkonstellationsbeschreibungen erfordern würden. So scheint es notwendig, eine allgemeinere Ebene einzuziehen, auf der Aussagen gemacht werden können, die auf mehrere Medienkonstellationen ähnlicher Gestalt zutreffen. Denkbar wäre hier, im Anschluss an Marcus Burkhard, von medialen Konfigurationen zu sprechen, die dann aber nicht deduktiv als Möglichkeitsraum für mediale Konstellationen genutzt werden4 , sondern induktiv aus der Analyse abgeleitet würden.

Und weiter…

Wie deutlich geworden sein dürfte, ist die Medienkonstellationsanalyse keineswegs eine etablierte Methode, sondern ein erst am Beginn eines in Entwicklung befindlichen heuristischen Verfahrens. Sie muss ihren forschungs-, lehr- und transferbezogenen Nutzen und ihre Anschlussfähigkeit an bestehende Theorien und Methoden weiter unter Beweis stellen. Auf der einen Seite sind hierfür die Verknüpfungsmöglichkeiten mit weiteren Theorien (Actor-Network-Theory, Medienökologie usw.) zu eruieren und im Sinne einer Ausdifferenzierung zu nutzen. Auf der anderen Seite sind die Verknüpfungsmöglichkeiten mit weiteren qualitativen und gegebenenfallssogar quantitativen Methoden zu prüfen und in ihrer Anwendung zu erproben (Situationsanalyse, Grounded Theory u.a.m.).

  • 1Insbesondere im Rahmen meiner Tätigkeit in der Projektgruppe Lehre und Medienbildung an der TU Braunschweig. Den damaligen Kolleg_innen dort danke ich an dieser Stelle für den kritisch-konstruktiven Austausch.
  • 2Vgl. Marcus Burkhardt: Digitale Datenbanken. Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data. Bielefeld 2015, 35 sowie Hartmut Winkler: Zeichenmaschinen. Oder warum die semiotische Dimension für eine Definition der Medien unerlässlich ist, in: Stefan Münker, Alexander Rösler (Hg.): Was ist ein Medium? Frankfurt / M. 2008, 211–221.
  • 3Siehe hierzu ausführlich Andreas Weich, Katja Koch und Julius Othmer: Medienreflexion als Teil «digitaler Kompetenzen» von Lehrkräften? – Eine interdisziplinäre Analyse des DigCompEdu-Modells, in: k:ON – Kölner Online Journal für Lehrer*innenbildung (momentan im Peer Review).
  • 4Burkhardt: Digitale Datenbanken, 35.

Bevorzugte Zitationsweise

Weich, Andreas: Digitale Medien und Methoden. Andreas Weich über die Medienkonstellationsanalyse. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/digitale-medien-und-methoden-5.

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In Debatte:

Methoden der Medienwissenschaft