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Open-Media-Studies-Blog

Wissenschaftliche Webseiten (Teil 2)

Über das Planen und Umsetzen wissenschaftlicher Webseiten

7.2.2020

Scrollytelling, Datenbanken, Webseiten – eine kurze Einleitung

Während meines Studiums konnte ich durch meine Arbeit beim Westdeutschen Rundfunk für eine Veranstaltung (den Schülerbandwettbewerb Planet Rock von Planet Wissen und dem Rockpalast) mit digitaler Wissensvermittlung experimentieren: Mein Redakteur und ich entwarfen die (zumindest unseres Wissens nach) erste Scrollytelling-Anwendung des Studios Dortmund.

Solche kurzen, audiovisuellen Geschichten zum Scrollen galten 2013 als «Königsdisziplin des Multimedia-Journalismus». Nicht gerade royal, aber dafür mit sehr viel Experimentierfreude, krochen wir in der Finsternis über den Boden des Fernsehstudios, um Filmmaterial über den Wettbewerb aufzuzeichnen. Ergänzt um Videos, Fotos und kurze Texte bauten wir schließlich alles in der Scrollytelling-Umgebung zusammen. Die Reportage stieß auf große Begeisterung, ist aber längst wieder aus dem Netz verschwunden. Ihre Form, soviel Aufwand sie auch gemacht hatte, büßte ihre Relevanz in der schnelllebigen Welt des Internets bald ein. Was mir blieb, war der Ansporn digitale Wissensbestände zeitgemäß und anspruchsvoll aufzuarbeiten – eine Zielsetzung, die, obwohl sie ideal in der Wissenschaft situiert scheint, erhebliche Gefahr läuft von selbiger gänzlich unterminiert zu werden.

Viele digitale Bausteine ergeben ein Bild. Rechte: Pixabay auf Pexels

Als Projektmitarbeiterin im ehemaligen DFG-Projekt Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005 (Filmuniversität Potsdam, 2012-2018) und dem aktuellen BMBF-Projekt Musikobjekte der populären Kultur: Funktion und Bedeutung von Instrumententechnologie und Audiomedien im gesellschaftlichen Wandel (HfM Weimar, 2018-2021) war und bin ich involviert in die Betreuung und den Aufbau der Webauftritte www.dokumentarfilmgeschichte.de und www.musikobjekte.de. Ausgehend von Überlegungen zu den Möglichkeiten digitaler Wissensvermittlung und meinen Erfahrungen möchte ich im Folgenden einige grundlegende Eckpunkte für Projektwebseiten zusammentragen. Es geht hierbei um allgemeine technische und personelle Anforderungen und konzeptionelle Fragen.

Vieles davon scheint in der Niederschrift offensichtlich, wird in der Umsetzung aber zur Aushandlungssache. Forschungswebseiten sind meist ein Kompromiss zwischen den finanziellen und technischen Möglichkeiten und individuellen Wünschen an Onlineauftritten, die im Team existieren.

Wer hat Angst vorm bunten Code? Der Weg zu einer wissenschaftlichen Webseite muss nicht kompliziert sein, sollte aber ernst genommen werden. Spiske auf Pexels, CC

Planung: Onlinepublikationen brauchen Geld und ‹Häfen›

Dass Webseiten gut zugänglich und längerfristig technisch betreut sind, ist der offensichtliche Grundstein für ihre Funktionalität. Das bedeutet zunächst konkret, dass Gelder für eine digitale Forschungsumgebung existieren müssen. Das beinhaltet einerseits die Webseite (Erstellung, Hosting, Maintenance) und andererseits die Visualisierung von Daten, die man gegebenenfalls für eine Webseitenpräsentation explizit erheben muss.

Falls eine Forschungsplattform mit erweitertem Inhaltsangebot entstehen soll, gibt es besonders aus dem Bereich der Digital Humanities eine wachsende Anzahl an freien Werkzeugen für Forschung und Visualisierung. Oft sind für spezifische Forschungsdatensätze aber eigene Applikationen oder Datenbanken gewünscht, wie im Fall der Film-Datenbank zum deutschen Dokumentarfilm, in der über spezifische Suchmasken und Schlagwortlisten auf 15.000 teils umfangreiche Datensätze zugegriffen werden kann. Eine Entwicklung dieser Tools muss personell und technisch vorbereitet werden. Je früher eine grobe Verständigung auf digitale Publikationsformen und den Leistungsumfang einer Webseite erfolgt, desto weniger Kompromisse braucht es in der Umsetzung.

Viele (kommerzielle) Anbieter stellen vorgefertigte Bausteine für Projektwebseiten bereit. Sie bieten den Vorteil, dass Hosting und technische Updates häufig durch die Anbieter geleistet werden. Die Grundstrukturen solcher Seiten lassen sich kostenlos einrichten, allerdings sind weitere Funktionen oftmals mit zusätzlichen Kosten verbunden, vor allem, wenn diese Hoster keine Werbung auf der Projektwebseite schalten sollen. Durch technische Updates kann im Idealfall eine Webseite beispielsweise im besten Falle ‹von selbst› auf neue Anforderungen der Endgeräte reagieren, wie die derzeit relevante Mobile Readiness.

Ob Hosting Pakete (Webspace, Datenbank, Domain, ggf. Installation und Maintenance) eingekauft oder selbst zusammengestellt werden und ob diese dann auf Privat- oder Universitätsservern liegen, sind wichtige projektinterne Entscheidungen. Die Variante, bei der alles in der Hand des Projektteams und der Forschungseinrichtung liegt, hat die höchste Sicherheit und Daten(bank)hoheit. Sie scheint die plausibelste und wünschenswerteste Herangehensweise zu sein, bedeutet gleichzeitig aber auch den größten Aufwand in der Beschaffung und Aktualisierung. Insbesondere bei Universitätsservern ist eine vorherige Auseinandersetzung mit deren Verantwortlichen zu empfehlen.

Annette Schmidtmann von der DFG gab in einem Gespräch zu Wissenschaftskommunikation die Empfehlung, dass «Projekte Unterstützung bei der Planung und Umsetzung suchen. Sie sollten zum Beispiel Kontakt aufnehmen mit den Kommunikationsabteilungen ihrer jeweiligen Einrichtungen. Sie können deren Expertise und Infrastrukturen nutzen». Diese Rücksprache ist immer einen Versuch wert, hängt aber deutlich von Engagement und Expertise der Presseabteilungen jenseits von Pressemeldungen und Veranstaltungen ab. Es gibt natürlich zudem Agenturen für Wissenschaftskommunikation sowie im Webseitenbau erfahrene Kolleg_innen in der Medienwissenschaft, deren Expertise allerdings gegebenenfalls bezahlt werden muss (und sollte).

Man muss nicht neben seinen Servern arbeiten, aber die Frage danach, wo die Daten und Webseite langfristig liegen, ist zentral für Projektwebseiten. Morillo über Pexels, CC3.0

Bereits in der frühen Planung sollte bedacht werden, wo die Daten langfristig, also über die Laufzeit des Forschungsprojekts hinaus, gelagert werden. Das ist bei Forschungsprojekten häufig auch eine finanzielle Frage. Allgemein zeigen Umfragen, dass weniger als die Hälfte der Produzent_innen von Open-Science-Webseiten derzeit ein eigenes Repository haben, das längerfristig eine stabile Plattform und Langzeitmanagement der Daten ermöglichen würde.1 Wenn man die Webseite www.dokumentarfilmgeschichte.de betrachtet, fällt auf, dass die rahmenden Webseiten bei einem großen Hosting-Anbieter liegen, während der Avinus-Verlag des ehemaligen Projektleiters Thomas Weber (Universität Hamburg) im Hintergrund die extensive Datenbank mit den projektinternen Datensätzen verwaltet. Doch die technische Infrastruktur ist nur die eine Hälfte des Problems. Barbara Flückiger (Universität Zürich) erklärte beispielsweise zur Einrichtung der Filmcolors-Webseite, dass es nach dem ersten Anlauf über Crowdfunding (etwa 10.000 Euro) in der Laufzeit lange Durststrecken gegeben habe, die nur «dank Einsatz von persönlichen Ersparnissen in der Größenordnung von mehreren Zehntausend Euros» überbrückt werden konnten. Dies sind Zugangshürden, die vor allem aus dem Mittelbau unmöglich genommen werden könnten und die den Möglichkeiten eines ‹offenen› Angebots klar entgegenstehen. Bei www.dokumentarfilmgeschichte.de ebenso wie bei www.filmcolors.org gibt es inzwischen die Möglichkeit zu spenden, um die Webseiten zu erhalten. Dass dies aber keine pauschale Strategie für Projektseiten sein kann, liegt auf der Hand. Hier braucht es langfristig neue Konzepte.

  • Gute Webseiten kosten Geld. Dieses muss vorab und gegebenenfalls im Prozess erneut beschafft werden.

  • Vor dem Projekt gilt es die Finanzierung der Webseite durchzuplanen und in der Projektlaufzeit (und darüber hinaus) einzukalkulieren.

  • Was soll die Webseite leisten?

  • Wo und wie soll eine Webseite in etwa gehostet werden?

  • Wo verbleibt die Webseite nach Projektende und wer ist dafür zuständig?

Gute Webseiten brauchen gute Betreuung, am besten im Team. Rechte: StartUp Stock auf Pexel

Personal und Ressourcen: Onlinepublikationen brauchen Fachleute und Zeit

Der OA-Blog, auf dem dieser Text erscheint, ist ein gutes Beispiel für die Anforderungen an moderne Wissenschaftswebseiten. Die beiden Herausgeberinnen sind exzellent vernetzt und bemühen sich um dauerhaften Fluss der Beiträge im aktiven Austausch mit Kolleg_innen. Gleiches gilt für das von Kiron Patka aufwendig kuratierte Magazin Auditive Medienkulturen der GfM-AG Auditive Kulturen und Sound Studies, das im Vorlauf zur diesjährigen GfM-Jahrestagung Medien-Materialitäten in Köln einen Schwerpunkt auf monatlichen Blog-Beiträgen zu Materialität gelegt hat.

Eine derartig engmaschige Herangehensweise ist bei thematisch organisierten Webseiten dringend notwendig. Aber auch für Plattformen von Forschungsprojekten, auf denen ein umfangreicheres Angebot an projektbezogenen Inhalten präsentiert werden soll, ist es wichtig bestimmte Zeitressourcen der Mitarbeiter_innen einzuplanen. Es sollte mindestens eine_n Verantwortliche_n im Team geben, die_der als Redakteur_in während der Projektlaufzeit auf eine Aktualität der Arbeit achtet. Neben dem Aufsetzen der Webseite brauchen insbesondere Maintenance und kleinere Updates häufig mehr Zeit als antizipiert wird. Dies sollte im besten Fall bereits mit einem Stundenkontingent von etwa 3-5 Stunden pro Woche im Arbeitsvertrag bedacht sein. Dies geschieht meiner Erfahrung nach bereits in vielen Projekten und ist auch dringend zu empfehlen. Darüber hinaus sollten Projektwebseiten einer_m klaren Verantwortliche_n, im Regelfall einer_m Projektleiter_in, zugeteilt werden, die_der als Ansprechpartner_in zur Verfügung steht. In einem Idealszenario, auf das ich im Verlauf dieser Reihe noch eingehen werde, übernimmt anschließend eine öffentliche Stelle oder Institution die Langzeitbetreuung, insbesondere eine Archivierung. Besteht allerdings keine solche Möglichkeit, sollte geklärt werden, ob beispielsweise der_die Projektleiter_in, gesetzt einer eigenen langfristigen Beschäftigung im universitären Bereich, die Webseite nach Projektende weiter betreuen kann, um der zunehmenden Entstehung von Datenfriedhöfen in Projektseitenform entgegenzuwirken. Dies ist eine Strategie, die bereits durchaus gängig ist und die einige der hier diskutierten Webseiten gewählt haben.

  • Gute Webseiten brauchen Know-How. Wenn sich kein Teammitglied ausreichend mit Webseiten auskennt, sollte dieses Wissen von außen geholt werden (Presse-Abteilungen der Universität, Agentur, ...). Dies kostet möglicherweise zusätzliches Geld.

  • Es ist sinnvoll von vornherein ein (besser zwei) Teammitglied(er) als verantwortliche Redakteur_innen zu benennen. Für diese Mitglieder einen Webseiten-Arbeitsaufwand von etwa 3-5 Stunden pro Woche antizipieren.

  • Eine Projektwebsite braucht eine_n Hauptverantwortliche_n. Dies sollte die_derjenige sein, die_der nach Projektende die Webseite weiterführen kann.

  1. Einleitung
  2. Existenzielle Fragen und das Verhältnis der Wissenschaft zum Internet
  3. Wissenschaftliche Webseiten planen und umsetzen lassen
  4. Vernetzte Forschung und ein Webseitenarchiv der Zukunft
  • 1Lawrence, Amanda: Grey Literature Publishing in Public Policy – Production and Management, Costs and Benefits, in: Chan, Leslie, Fernando Loizides (Hg.): Expanding Perspectives on Open Science: Communities, Cultures and Diversity in Concepts and Practices, Amsterdam 2017, 85–100, 95.

Bevorzugte Zitationsweise

Niebling, Laura: Wissenschaftliche Webseiten (Teil 2). Über das Planen und Umsetzen wissenschaftlicher Webseiten. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/wissenschaftliche-webseiten-teil-2.

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