Quarantine Culture: Corona-Fernseh-Serien
Über erzählte Weiblichkeit am Abgrund (mit Zugbrücke)
Die ungeduldige und die geduldige Griselda
Anfang Juli 2020 veröffentlichte die New York Times unter dem Titel The Decamerone Project 29 Short Stories, welche erste literarische Reaktionen von Autor_innen auf die Corona-Pandemie und die damit verbundene Quarantäne (lockdown) versammelte. «Decamerone» entlehnt sich dem Titel eines Novellenkranzes des Renaissance-Dichters Giovanni Bocciaccio über junge Adlige, die gemeinsam von der Pest geflohen sind. Die jungen Exilant_innen erzählen sich gegen die Angst vor dem Seuchentod heitere und derbe Geschichten über das Leben, die die zeitgenössischen Moralvorstellungen herausfordern und damit die Quarantäne zu einem Ort des normsprengenden Exzesses machen. Diese Erzähloffensive gegen eine Seuche dient den Zielen unmittelbarer Bewältigung und kathartischer Normverschiebung. Margaret Atwood trägt die erste Geschichte zum Decamerone Project der New York Times bei. Diese lehnt sich an die Hauptfigur einer Novelle, Griseldis, an. Boccaccios Griseldis ist ihrem Ehemann bis zur Selbstverleugnung ergeben. Nach brutalen Liebesproben von Verstoßung bis zur Aufforderung, ihre eigene Tochter zu töten, wird sie wieder in den legitimen Ehestand aufgenommen. Margaret Atwood macht daraus eine Dystopie, die sie Impatient Griselda betitelt. Atwoods Handlung entwickelt sich wie folgt:
Ein außerirdisches Wesen, das einem Oktopus ähnelt, besucht eine Covid-19-Patientin im Krankenhaus. Der_die Besucher_in (die Außerirdischen kennen das Konzept Geschlecht nicht) erzählt der schwer leidenden Patientin von den Zwillingsschwestern Patient und Impatient Griselda (Pat und Imp). Die geduldige Griselda heiratet einen Herzog, der ihre niedere soziale Stellung schätzt, weil sie sich widerspruchslos schlecht behandeln lässt. Als er sie satthat, will er ihr den Kopf abschneiden und die Nächste heiraten. Die Ungeduldige Griselda rät ihrer Schwester, den Ehemann noch um einen letzten Versöhnungssex vor ihrem Tod zu bitten. Als der Gatte auftaucht, trifft er auf die Ungeduldige Griselda, die mit ihrer Schwester die Rollen getauscht hat und die ihm die Kehle durchschneidet. Dann essen beide Schwestern den Herzog auf. Nachdem die ausserirdische Erzähler_in die Geschichte beendet hat, verabschiedet sie sich und erklärt der Covid-Patientin: «Storytelling does help us to understand one another across or social and historical and evolutionary chasms […] it is my job to help […] pass the time.1
Margaret Atwood hat mit ihren in Millionenauflagen erschienen dystopischen Romanen The Handmaid‘s Tale (1990) und der späten Fortsetzung The Testaments (2019) eine pessimistische Sicht auf die Gewaltsamkeit westlicher Patriarchate gegenüber Frauen und der Umwelt geworfen und diese Einschätzung auch auf Donald Trump zugespitzt,2 dessen Sexismus-Agenda sprichwörtlich ist3 und der zudem durch verheerendes Missmanagement der Corona-Krise den Tod von zehntausenden US-Bürger_innen zu verantworten hat. Insofern ist es gewiss kein Zufall, dass Atwood in der New York Times den Short-Story-Zyklus mit Impatient Griselda eröffnet und dass die Geschichte eine Frauengeschichte über Unterdrückung, Unterwerfung und Widerstand ist. Der folgende Artikel nimmt diese Atwood-Geschichte zum Leitmotiv. Er wird davon handeln, wie Liebesarbeit von Frauen, die weder anerkannt noch bezahlt wird, sich unter Quarantänebedingungen verschärft, verdeutlicht und möglicherweise einen Anlass bietet, Geschlechterbeziehungen neu zu verhandeln. Das Material für die Untersuchung ist eine andere Art von Geschichten: Schnellschuss-Miniserien im deutschen Fernsehen, die während des Lockdowns unter Corona-Sicherheitsregimen entstanden sind. Die Wahl ist davon motiviert, dass sie fiktive ‹Erstreaktionen› sind – in der Notfallmedizin nennt man das First-Response. Mögliche Diskursveränderungen im Geschlechtermachtverhältnis wären hier in ihrer Entstehung zu beobachten, sozusagen im ersten Versuchsstadium.
An das Format Mini-Serie mit Kurzepisoden ist das junge Youtube-Publikum, das Opas Fernsehen lange den Rücken gekehrt hat, gewöhnt. Trotz des normalerweise zeitaufwendigen Verfahrens, ein Skript bis zur Serienreife zu bringen, waren ZDF und ARD diesmal sehr schnell. Am 22. März 2020 wurde der bundesweite Lockdown beschlossen. Drinnen – Im Internet sind wir alle gleich (ZDF – 1/15 à 8–12 Minuten, ) startete schon am 5. April, Liebe. Jetzt! (ZDF 1/6 à 25 Minuten, Start 05.05.), Ausgebremst (TNT, an ZDF Mediathek ausgeliehen, 1/5 à 15 Minuten, Start 08.06.) und Lehrerin auf Entzug (ZDF, 1/5 à 9 Minuten, Start 10.07.). Die Mini-Serien waren unter Corona-Bedingungen des Social Distancing teils abenteuerlich gedreht worden – oft handmade von den Schauspieler_innen selbst oder von winzigen Crews zusammengebastelt. Das Serienformat erfüllt dabei eine Sonderfunktion: Durch ihr Genre-Charakteristikum des «wiederholt variierenden Erzählens»4 sind sie besonders einprägsam. Wie aus Theorien zur Performativität der Sprache bekannt schaffen wiederholt ähnliche Benennung (und Situationen) Wirklichkeit.5 Ein guter ‹Träger› von ‹heilenden Erzählungen›6 sind Serien auch wegen ihrer materiellen Standardisierung, narrativen Schematisierung und Massen-Adressierung, die ständig «lebensweltliche Anschlüsse» produzieren.7
Diese Serien haben in Script und Modus erstaunlich viele Ähnlichkeiten. Im Cast weibliche Hauptpersonen, im narrativen Zentrum gescheiterte Liebesbeziehungen. Als Genre wären sie der Sitcom zuzuordnen mit gelegentlichen Ausflügen in die Dramedy.8 Die Ähnlichkeiten legen nahe, dass hier die Entwicklung einer neuen Grand Narrative9 zu beobachten ist, oder anders gesagt die Bildung von neuen Dispositiven beginnt. Dispositive sind Anordnungen und Netze, in denen sich Gesellschaften Interpretationen von Wahrheiten, Wirklichkeiten und Sinn strukturieren. Neue Dispositive sind nach Foucault strategische Antworten auf historisch definierbare gesellschaftliche Notlagen. Auf die Quarantäne-Serie übertragen findet hier eine Umarbeitung unlösbarer Konflikte in erträgliche Sinnstiftung statt. Und damit sind die Serien-Erzählungen ‹strategische› Antworten auf eine gesellschaftliche Notlage.10 Als Hypothese sei vorangestellt: Die hier untersuchten Mini-Fernsehserien versuchen, durch Corona offensichtlich gewordene Geschlechter-Gerechtigkeitsdefizite mit neu verhandelter ‹Liebe› zu ‹heilen› und finden damit für sich eine akzeptable Version von Sozialität, ohne das patriarchale Gerüst der Gesellschaft zum Einsturz zu bringen.
Narrative Desire
Novelle heißt, um auf Boccaccio und Atwood zurückzukommen, neben Geschichte auch Neuigkeit. Als sich Corona von einem Problem ferner Länder zu einer hautnahen Bedrohung entwickelte, die Menschen im Globalen Norden in ihrer körperlichen, seelischen und physischen Existenz bedrohte, klebte man am Fernseher. Man studierte Ansteckungsraten, Reproduktionsfaktoren, Übersterblichkeit. Als Zahlen und deren trügerische Gewissheiten und Ordnungen die Unsicherheit und Angst nicht vertreiben konnten, wuchs der Wunsch nach Geschichten, die eine andere Art von Ordnung anbieten, sinnstiftende Ordnungen. Narrative desire11 nennt man in der angloamerikanischen Literaturwissenschaft das Bedürfnis, eine verwirrende Wirklichkeit erzählerisch bewältigt, erklärt und geordnet zu bekommen, oder auf den Flügeln von Geschichten aus der schlechten Wirklichkeit weggetragen zu werden. Erzählungen können ‹heilen›. Ein Kritiker hat zum Novellenkranz Decamerone den schönen Begriff «narrative Prophylaxe», erzählerische Vorsorge, geprägt.12 Die pestflüchtigen Erzähler_innen von Bocciaccio folgen damit den Empfehlungen zeitgenössischer Mediziner, man solle sich mit heiteren Künsten umgeben, um sich nicht durch die Angst vor der Seuche zu schwächen.
In der Spätmoderne stehen für dieses Bedürfnis nach erzählerischer Heilung die verschiedensten Medien zur Verfügung, neben dem ubiquitären ultraschnellen Internet, das langsame Buch und immer noch das Fernsehen. «Das Lagerfeuer brennt wieder», titelt die Augsburger Allgemeine Zeitung eine Story mit dem Untertitel «Coronazeit ist Film- und Fernsehzeit». Schon längst als altmodisch und schwerfällig verschrien nutzten die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten die Gelegenheit, neue (Internet / Mediathek / Streaming) und alte Medien (Echtzeit Programm TV) für Netz- und Standgeräte Echtzeit-User zu verschmelzen, um sich einen schnellen modernen Touch zu geben.
Serielles Patriarchat – Ein kleiner historischer Abriss
Eines der zentralen Probleme der Quarantäne wurde schnell offensichtlich: Die überdimensionale ökonomische13 und arbeits- und sozialtechnische Belastung von Frauen, die entweder ihren Job aufgeben mussten, um Kinder zu hüten und zu unterrichten oder zusätzlich im Homeoffice erledigen mussten, wobei sich von den möglicherweise auch anwesende Väter wenige genötigt sahen, ihren privilegierten und habitualisiert geringen Anteil an Care-Arbeit zu erhöhen. Eine Vielzahl von Studien hat das sehr schnell erhoben und erforscht und unbestreitbar festgehalten.14 Thomas Steinfeld drückte diese Umstände in der Süddeutschen Zeitung noch ein wenig drastischer aus: «Der Staat erzwang die Rückkehr eines Familienmodells, dem schon seit Jahrzehnten keine soziale und ökonomische Realität mehr entsprochen hatte».15 Das hat man in Deutschland durchaus begriffen: Die Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, prophezeite: «Wir werden eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren»,16 und Kanzlerin Angela Merkel sagt im Bundestag, ohne allerdings Maßnahmen anzukündigen, um die Lage zu verbessern: «Ich bin in diesen Tagen sehr daran erinnert worden, dass wir noch gar nicht lange einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben. Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass wir keine ‹Retraditionalisierung› erleben. In der Summe sind die Mütter in wesentlich stärkerem Maße belastet.»17 Allerdings hat man weder von Staatswegen noch aus dem organisierten Feminismus soziale Fantasie mobilisiert, Frauen während der Corona-Quarantäne diesen Rückfall in alte Verhältnisse zu ersparen.
Blickt man zurück in die Geschichte der Bundesrepublik (die damalige DDR ging einen anderen Weg) wurden Geschlechterverhältnisse häufig über exemplarische Fernseh-Familienserien propagiert und geschönt. Um ein bekanntes, aber vielfach vergessenes Alltagswissen wieder hervorzuholen: Geschlechterverhältnisse sind Machtverhältnisse. Diese haben sich historisch entwickelt und werden nicht mehr mittels physischer Gewalt wie Züchtigungsrecht und Vergewaltigung in der Ehe durchgesetzt, sondern haben nach dem halbherzigen gescheiterten Revolutionsversuch der Neuen Frauenbewegung in den Siebzigern und Achtzigern subtilere Herrschaftsformen gefunden. Auch wenn reproduktive Freiheit – wenngleich neuerdings angegriffen –, Diskriminierungsverbot, Rechtsgleichheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf jetzt möglich sind, ist der Mangel an politischer Repräsentation, der Pay-gap und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Sektor unbezahlter Haushalts-, Erziehungs- und Care-Arbeit nicht aufgehoben.18
Es sind allerdings nicht nur die an der Beibehaltung ihrer Privilegien interessierten Väter oder der einem strukturellen Patriarchat verhafteter Staat, die am hierarchisierten Geschlechterverhältnis festhalten. ‹Verhältnisse› haben immer mindestens zwei Akteur_innen. Ein wichtiges Charakteristikum von Geschlechterverhältnissen ist, dass die Mehrheit der Mitglieder der dominierten Partei, Frauen, in den «Sexual Contract»19 so eingebunden sind, dass sie glauben, die im Normgefüge vorgesehene Position freiwillig und gern einzunehmen. Anders ist die Begeisterung für Pink, Girly-Ästhetik, den Märchenprinzen, den Traum von der weißen Hochzeit, Einbauküchen im Landhausstil und Babywiegen mit Musselinvorhängen nicht zu erklären.
Die Verwirklichung dieser Träume für Quellen zukünftigen Glücks zu halten ist eine weibliche Konditionierung, die Lauren Berlant «cruel optimism» nennt: «A relation to cruel optimism exists when something you desire is actually an obstacle to you flourishing. It might involve food, a kind of love, it might be the fantasy of a good life […]. These kinds of optimistic relations are not inherently cruel. They become cruel only when the object that draws your attachment actively impedes the aim that brought you to it initially.»20 Dementsprechend sind die ‹Rollen›, die Frauen in TV-Serien der jeweiligen Zeit-Epochen zugewiesen werden, glücksversprechende Kompensation für eine Machtlosigkeit, die einerseits nicht gesehen werden will und andererseits nicht überwunden werden kann.
Blickt man in die deutsche Fernsehgeschichte der Sechziger Jahre zurück, wurde diese Struktur des Hinwegtröstens von Pseudomatriarchaten übernommen. In hochbeliebten Familienserien wie Die Firma Hesselbach (Wolf Schmidt 1960–1967) und Die Unverbesserlichen (Robert Stromberger 1965–71) gaben Lise Christ als Mama Hesselbach und Inge Meysel als Käthe Scholz (auch «Mutter der Nation» genannt) Übermütter, die ihre Familien mit Anstands- und Geltungsregeln traktierten und ihre fehlende gesellschaftliche Macht durch Tyrannei im Familienverband kompensierten. Mama Hesselbach, eine ursprünglich aus dem Kabarett stammende Kunstfigur, wurde durch die ironischen Erziehungsversuche des Patriarchen Baba Hesselbach und komische Elemente etwas der Identifikation entzogen. Aber der grimmigen Herrschaft von Mamma Käthe alias Inge Meysel über den Straßenbahner und Pantoffelheld Kurt Scholz (Joseph Offenbach) und ihre missratenen Kinder wurden kaum dramaturgische Grenzen gesetzt.
Viele Frauen (und Männer) glaubten über die Neue Frauenbewegung der frühen Siebziger einen unumkehrbaren Emanzipationsprozess in Gang gesetzt zu haben. Ein Indiz schien zu sein, dass die Fernsehserien mit den antiquierten Hausfrauenehe-Ersatzmacht- und Glücksversprechen austrudelten oder sich zumindest modifizierten. 1983 bis 1994 entwarf wiederum Robert Stromberger, der schon die Unverbesserlichen verantwortet hatte, Diese Drombuschs. Die Serie kreiste ebenfalls um eine Mutterfigur, Vera Drombusch (Witta Pohl). Mit den vorherigen Müttern teilt sie Selbstgerechtigkeit und gelegentliche Tyrannei, sie wird aber vielfach gezwungen, aus Konventionen auszubrechen, z. B. wenn sie zurück in den Beruf Krankenschwester geht, Witwe wird und den Laden allein stemmen muss, wenn ihre Kinder in 68er-Anwandlungen rebellieren oder sie sich in einen verheirateten Mann verliebt. Gelegentlich wird sie mit Macht ausgestattet, aber nur in tragischer und unerwünschter Abwesenheit männlicher Leitung und Liebe. Das unvollständige Patriarchat wird als Mangel beschrieben und die weibliche Kompetenz, ihre große Familiengruppe durch (unbezahlte) Care-Arbeit über Wasser zu halten, als heroische Überlebensgeschichte konstruiert.
Ja, es gab auch Emanzipations-Sagas im Serienformat. Z. B. die zunächst zaghaft, und dann massenhaft, eingesetzten Kommissarinnen21 im Tatort: in Ludwigshafen mit Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Bremen mit Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel), Hannover mit Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Konstanz mit Kommissarin Klara Blum (Eva Matthes). Die Ermittlerinnen bezahlen ihre Handlungsmacht allerdings mit trist dargestelltem Single-Dasein (Odenthal und Blum) und komplizierten Alleinerziehungsmodellen (Lürsen und Lindholm). Wenn die Serienmacher_innen allerdings die Hauptingredienz des modernen bürgerlichen Dramas beimischen wollen, die Liebe, ist die Asymmetrie der Machtverteilung zwischen den Geschlechtern nicht zu umgehen.
Weibliche Hauptfiguren verlieren in romantischen Verwicklungen an Handlungsmacht. Da diese aber bei leitenden Polizistinnen erforderlich ist, wird ihnen tragisches Liebes-Scheitern ins Drehbuch geschrieben. Die Skripte folgen da, sicher nicht vorsätzlich aber im Effekt konsequent feministischer Theorie: Feministische Psychoanalytikerinnen wie Jessica Benjamin haben in Fesseln der Liebe auf den Tatbestand hingewiesen, dass die romantische Liebe mit ihren Konzepten von Eroberung und Hingabe der Geschlechterhierarchie bedarf.22 Und Shulamith Firestone schreibt 1970 zur romantischen Liebe, sie sei «perhaps even more than childbearing, […] the pivot of women’s oppression today.»23
Die Corona Dramedy
Die eindrücklichsten Mini-Serien-Geschichten aus dem Lockdown werden aus der Sicht von trennungswilligen Frauen erzählt. Die Corona-Quarantäne hat dort als Katharsis und Exerzitium gewirkt, in der Trennungs-Beschlüsse gefasst oder überdacht werden können. Die Aussicht, endlich unabhängig zu sein, wird in einer Situation imaginiert, in der Einsamkeit und Berührungslosigkeit durch die äußeren Umstände verstärkt werden. So die Expositionen von zwei Serien. «Was ist, wenn Corona unsere letzte Scheißchance ist?» fragt einer der abzuwickelnden Gefährten in der finalen Folge 6 »Ain’t no sunshine» von Liebe. Jetzt. Als die scheidungswillige Heldin der Episode endlich mit dem Koffer in der Hand nach draußen geht, zögert sie auf der Schwelle. Das offene Ende suggeriert eine Rückkehr ihrerseits. In der letzten Folge von Drinnen gibt die Werbekauffrau Charlotte Thielemann, verheiratet, zwei kleine Kinder, die zur Coronazeit verstärkte Scheidungsabsicht von ihrem Mann, der erfolgloser Musiker ist, auf, um der alten Liebe eine neue Chance zu geben. Nachdem sie 14 Folgen lang hektisch alle denkbaren digitalen verbalen, schriftlichen und visuellen Kommunikationskanäle bearbeitet hat, schneidet sie sich vom «digital nihilism»24 ab und geht offline und nach ‹Draußen›. Sie setzt – ein interessantes Paradoxon von Freiheit – die Maske auf und spaziert unter dem Soundtrack «Wenn Du eine Sonne siehst, lauf ihr entgegen» durch Berlin.
Wenn man, wie bisher entwickelt, Fernsehserien, insbesondere Familienserien, als Arena von Verhandlung und Überschreibung verschiedenster Akteur_innen von Geschlechter-Macht-Asymmetrien betrachtet, dann ist es von Interesse, welche Form das Produkt vielfältiger Produktionsfaktoren und narrative desires annimmt. Wird es trotz der schlussendlichen happy endings zwischendurch zu Momenten der Wahrheit über die anhaltende Machtasymmetrie kommen und wird die Emanzipationslegende zugunsten eines neuen Anlaufs für Geschlechtergerechtigkeit entzaubert? Oder werden weiterhin ungerechte Verhältnisse zu einem neuen Kompromiss re-arrangiert? Wird ein neues Konzept von Elternschaft ausprobiert, ein Modell von Care-Gemeinschaften von Frauen, Männern oder Care-Eltern in Augenhöhe entworfen, ein neuer Deal in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ausgehandelt, wird Liebe neu konfiguriert, Liebe und Sex getrennt, Partnerschaft auf neue Füße gestellt?
Material für die Diskussion solcher Fragen wird reichlich geliefert. Post-Corona-Miniserien werden von berufstätigen Protagonistinnen im Homeoffice getragen, die mit der Außenwelt über den Computer agieren (realistische Corona-Situation) und so dem Publikum ‹erzählen›, wie sie die Zumutungen der Pandemie bewältigen. Die Hauptfiguren sind in den mittleren Jahren zwischen 30 und 50 und geraten in der virtuellen Realität in ‹komische› Situationen. Genretechnisch wären die Serien wie erwähnt als Sitcoms einzuordnen. Allerdings basieren die ‹lustigen› Erlebnisse häufig auf tragischen Vorfällen, die zum Weglachen nicht geeignet sind. Die Arbeitgeberin der Hauptfigur (Lavinia Wilson) von Drinnen, die eine Public Relation Firma leitet, schenkt ihrer Angestellten einen Auflegevibrator. Als diese sich bedanken will, ist die Corona-Patientin tot, aber nicht durch Covid 19, sondern sie ist beim Heimweg vom Hospital vom Bus überfahren worden.
Die ‹Heldin› von Ausgebremst (Maria Furtwängler) sitzt frisch verlassen und verheult vor einem Fahrsimulator, den ihr der Verflossene geschenkt hat und gerät am Bildschirm in ein Telefonseelsorgenetz, wo sie zerbrochene Leben reparieren soll, etwa eine Selbstmordwillige von einem Sprung von der Brücke abhalten. Die Hauptfigur in Lehrerin auf Entzug folgt in der Grunddramaturgie Drinnen und Ausgebremst. Eine nicht mehr ganz junge, attraktive, berufstätige Frau sitzt vor einem Computer. Die Wirklichkeit, die von draußen visuell und getexted über sie hereinbricht, ist eine Zumutung. Die Lehrerin erlebt den Fernunterricht als zunehmend absurde Sisyphusarbeit mit netzflüchtigen Schülern, die sich durch stundenlange Toilettengänge ihren Bemühungen entziehen, und Helikoptermüttern, die letzte Relikte ihrer erzieherischen Autorität durch ständige Eingriffe ins E-Learning vernichten.
Die fiktionalen TV-Corona-Erstreaktionen mit weiblichen Protagonist_innen sind also auf Komik ausgelegt, oder, um es präziser zu sagen, es wird eine Art von entnervter Verzweiflung dargestellt, die im Effekt ‹komisch› ist. Es wird gezeigt, wie eine isolierte Frau, mit der wirklichen Welt lediglich digital verbunden, versucht, Ordnung in vielfältige Ansprüche, Projekte und Beziehungs-Anforderungen zu bringen und dabei rührend scheitert. Nun kann man sich fragen, welche Art von Komik hier zum Zuge kommt. Wird mit den Protagonistinnen gelacht oder über sie? Die Theorien über Komik und Geschlecht haben eine androzentrische Schlagseite. Von der Produzent_innen-Seite betrachtet galt bis vor kurzem ‹Frauen sind nicht komisch›, was die schiere Abwesenheit oder Erfolglosigkeit weiblicher Stand-Up-Commedians zu beweisen schien. Wenn man sich allerdings Ausgebremst ansieht, entfaltet Maria Furtwängler unerwartet komisches Talent. Außerdem findet man in der einzigen Quarantäne-Serie, die nicht von öffentlich-rechtlichem Fernsehen produziert wurde, zwei der wenigen profilierten weiblichen Großkomikerinnen in der Besetzungsliste, Maren Kroyman und Annette Frier. Die sind eindeutig konzipiert, dass man mit ihnen lacht. Im Gegenzug dazu findet man männliche Figuren, die zum Auslachen inszeniert sind, z. B. den Hotel-Mama-Nesthocker Janosch, der von seiner Mutter Edith (Annette Frier) einfach sitzengelassen wird.
Schaut man sich im Vergleich männliche Hauptfiguren in Corona-Erstbewältigungs-Narrationen im Film an, der sich gegenüber dem Fernsehen gern als das anspruchsvollere Genre geriert, ist man eher in der Tragödie unterwegs. Im Episodenfilm mit 17 unterschiedlichen Regisseur_innen Homemade (Juni 2020) sieht man beeindruckende tragische Helden, z. B. in der Episode «Penelope», in der Maggie Gyllenhaal Peter Saarsgard als trauernden Gatten und heroischen Überlebenskünstler in der Einöde von Vermont inszeniert. Antonio Campos lässt eine lesbische Familie in «Annexe» am Strand einen rätselhaften und ohnmächtigen nackten Mann finden, der traurig und stumm in ihrem Anwesen hockt und am morgen in ihren Pool springt und auf- und abschwimmt.
Die ultimativen tragischen Helden gibt Sebastian Schipper, mehrfach preisgekrönt für Victoria, mit sich selbst als Hauptdarsteller, im 8-Minuten-Kurzfilm «Casino». Er filmt sich im Graufilter bei täglichen Verrichtungen (Zähneputzen, Essenkochen, Videospielen). Seinen Seelenzustand vermittelt er mit einem Song, zu dem er sich mit Gitarre begleitet, «It’s something wrong with me». Bald sitzt ihm ein alter ego mit zunehmend kurzen Haaren gegenüber und singt im Duett. Zuletzt sieht man ihn im Badezimmer mit E-Gitarre, wo er – intim beleuchtet mit Dutzenden Teelichtern – à la Jimmy Hendrix seinen Song lärmig zersägt. Mann nimmt sich ernst. In diesen frühen filmischen Corona-Verarbeitungen setzt sich die Legende vom Lonesome Rider, dem einsamen Helden, fort. Generisch ist die Figur konzipiert, Feinde zu vernichten. Da kein Feind ausmachbar ist, implodiert der Held in den Wahnsinn, weil ihm Weltsinn abhandengekommen ist.
Die weiblichen Protagonist_innen in den Quarantäne-TV-Serien dagegen sind ‹sinnlose› Reproduktions- und Care-Arbeit auch vor Corona gewohnt. Mit komischer Verzweiflung versuchen sie digital all die ‹Pflichten›, zu meistern und Anforderungen aller Art zu entsprechen, die sie sonst von Angesicht zu Angesicht erledigt hätten. Männer gibt es in diesem Kosmos nur selten ‹life›. Sie haben die Protagonistin entweder verlassen (Ausgebremst), erweisen sich für Corona-notwendige Care-Arbeit als ungeeignet und werden als Belastung weggeschickt (Drinnen) oder agieren als autoritäre und inkompetente Störelemente (Lehrerin auf Entzug). Allerdings – und hier erinnere man sich an Lauren Berlants Konzept vom grausamen Optimismus – sind die Protagonistinnen von Bildern ihrer ehemals glücklichen Familie umstellt. In Ausgebremst stehen sie nur auf dem Regal. In Drinnen dagegen sind sie nomen est omen der Screensaver. Was auch immer die Protagonistin tut, um sich der Familienbande zu entledigen, z. B. Tinder-Dates planen, bildet die glückliche Familie ganz oder Ausschnitten (häufig ein Babyhändchen am Bildrand) den Hintergrund.
Zusammenfassung
Der Einbruch der Corona-Pandemie hat die prekären, aber zuvor mürrisch ausbalancierten Geschlechtermachtverhältnisse aus dem Gleichgewicht gebracht. Führt diese plötzliche Deutlichkeit der Machtverhältnisse zu Reibungen, Unruhe oder möglicherweise zu Problemerkenntnis? Praktisch alle Fernseh-Erstreaktion auf Corona stellen überlebenskämpfende weibliche Heldinnen ins Zentrum. Weiblichkeit wird also als Allegorie der Krisenbewältigung eingesetzt. Wie man allerdings aus der feministischen Allegorie-Forschung weiß, stellen Allegorien große Bewegungen dar, wie die ‹Freiheit› in Delacroix‘ Bildnis der Französischen Revolution ‹Die Freiheit führt das Volk›, aber sie selbst, die Heldinnen, profitieren nicht davon.25 Insofern sollte man nicht erwarten, dass die angebotene ‹heilende› Erzählungen im Dienste einer feministischen Neuorientierung stehen oder eine neue Geschlechtergerechtigkeit propagieren.
Cultural- und Media Studies zeigen seit langem, dass Mediatisierungsprozesse in keinem Abbildverhältnis zu den behandelten Wirklichkeiten stehen, sondern dieselben umarbeiten, sowohl auf der Rezipient_innen- wie auf der Produzent_innen-Seite. Der Kulturanthropologe Walter Bausinger schreibt, dass «das Fernsehen und andere Medien nicht etwa ein Stück Wirklichkeit vermitteln, indem sie es ausschnittweise, wenn auch medial gebrochen, wiedergeben, daß sich vielmehr die Wirklichkeit aus medial Vermitteltem und anderem zusammensetzt und daß diese Wirklichkeit jeweils neu konstruiert wird».26 Bricht man diese Aussage auf die Verschiebung von Geschlechtermachtverhältnisse zu Zeiten von Corona und Quarantäne herunter, so fällt eine unentmischte Dynamik von Revolte und Fügsamkeit auf. Die Heldinnen sind durchweg frustriert von fehlender männlicher Kooperation und Arbeitsteilung. Viele wollen die Quarantäne zum Anlass nehmen, sich von unachtsamen männlichen Partnern zu trennen und ein souveräneres Leben beginnen, lenken aber im letzten Moment ein.
Für eine solche Entwicklung arbeiten natürlich auch Machtinteressen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist in Geschlechterfragen nicht egalitär. Noch 2018 waren im ZDF lediglich 39,4% Frauen in führenden Positionen. TV-Sender sind keine Emanzipationsagenturen. Sie verstehen ihren ‹Bildungsauftrag›, der von Rundfunkräten politisch reguliert wird, als Stabilisator bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse und diese sind aus der überrepräsentierten männlichen Sicht bequem ungleich. Für viele garantieren sie Care-Service zu Hause, was ihre Karrieremöglichkeiten doppelt steigert. Sie haben den Rücken frei, sich um Aufstiege zu kümmern, und sie haben weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Weiterhin geht jedes Stück Feature-Fernsehen durch mehre Abteilungen, Genehmigungsverfahren und Redaktionen. Die radikalfeministische Drehbuchschreiber_in muss sich mit den Produzent_innen, den Nerds von der Technik und wiederum mit der TV-Redaktion einigen. Das Endprodukt ist dann aller Wahrscheinlichkeit nach eine Kompromissbildung mit der alten Ordnung, in der Elemente der neuen Ordnung ‹aufgehoben› sind.27
Die Heldinnen der Corona Mini-Serie agieren so gesehen in einem unsichtbaren Korsett. Allerdings wird ihnen ausreichend Gelegenheit gegeben, Klage zu führen. Betrachtet man die TV-Quarantäne-Serien unter dieser Perspektive, dann sind sie die reinsten Jeremiaden. Die Protagonistinnen schimpfen über die ‹Verhältnisse›, den Mann, den Chef (die Chefin), die Mühsal des Corona-Managements, die Einsamkeit, die Langeweile, die Unberührtheit. Auf eine verdrehte Weise wird damit das erreicht, was die hierarchisierte romantische Liebe nicht mehr bieten kann, weshalb sie auch zwischenzeitlich verzichtbar erscheint, nämlich: Anerkennung. Die weiblichen Hauptfiguren machen sich unüberhörbar, sie zetern und jammern und heulen notfalls herum, ungebremst durch männliche Kontrolle.
Die Soziologinnen Christine Wimbauer und Mona Mokatef weisen auf die Zentralität von Anerkennung in Geschlechterverhältnissen und das Problem der Nicht-Anerkennung für überlebensnotwendige unbezahlte Reproduktionsarbeit hin.28 Vor Corona konnte nur bezahlte aushäusige Erwerbsarbeit diesen Prestige-Vorteil erwirtschaften, jetzt verschwimmt das, wenn die Erwerbsarbeitssphäre außer Haus lebensgefährlich geworden ist. Endlich gibt es eine Plattform, sich eine Bedeutung zu konstruieren im Kontrast zum Versagen und der Unfähigkeit des (männlichen) Anderen.
Von der Diskursmaschine Fernsehen ist nicht zu erwarten, dass sie scharfe Munition für einen post-corona gender war liefert. Aber wie alle Institutionen, die sich mit der Verfertigung kultureller Hegemonie29 beschäftigen, ist insbesondere das Fernsehen flexibel und bietet Geschichten an, die durch Aktualität und Nähe zum wirklichen Geschehen bei vielen Beherrschten Zustimmung finden, sie eingemeinden. Aber wie auch immer Einverständnis organisiert wird, es entsteht ein performativer Überschuss30. Diese schöne Kategorie, von der Tanztheoretikerin Gabriele Brandstetter in die Visual Cultural Studies eingebracht, besagt, dass der Exzess an Bewegung, z. B. im Break Dance, eine Surplus-Dimension gegenüber jeder Form von Aufführungsrahmung einbringt. So ergeht es auch der Post-Corona-Miniserien-Heldin. Trotz ihrer hektischen Bemühungen, digital die alte Ordnung aufrecht zu erhalten, sind es ihr rührendes Scheitern und die exzessive Klage, die immer wieder den Horizont für eine neue Post-Corona-Geschlechterordnung öffnen.
- 1https://www.nytimes.com/interactive/2020/07/07/magazine/what-is-the-decameron.html (gesehen am 19.07.20).
- 2Margaret Atwood: What ‹The Handmaid’s Tale› Means in the Age of Trump. https://www.nytimes.com/2017/03/10/books/review/margaret-atwood-handmaids-tale-age-of-trump.html (gesehen am 19.07.20).
- 3Gabriele Dietze: Der Pussy Präsident. Sexuelle Konterrevolution versus Feministischer Civil War, in Lars Koch, Tobias Nanz, & Christina Rogers (Hg.), The Great Disruptor. Über Trump, die Medien und die Politik, Stuttgart 2019, S. 99–114.
- 4Frank Kelleter (Hg.): Populäre Serialität: Narration-Evolution-Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19.Jahrhundert. Bielefeld 2014, S. 13.
- 5Judith Butler: Excitable Speech: A Politics of the Performative, New York 1997.
- 6In der Queertheorie spricht man auch von reparative reading (versöhnenden Lesarten), vgl. Eve Sedgwick: Paranoid reading and reparative reading, or, You're so paranoid, you probably think this introduction is about you, in: dies. (Hg.): Novel Gazing. Queer Readings in Fiction, Durham 1997, S. 1–37. Allerdings meinte die Queertheoretikerin eine subversiv versöhnende Lesestrategie, die sie homophob diskriminierten Menschen anempfiehlt. Ich dagegen verstehe hier unter ‹heilender Erzählung› eine Neuformation von Machtdiskursen, die durch eine große Krise gegangen sind und über erzählende Sinnstiftung einen tröstendes Neuarrangement der Machtverhältnisse anbieten.
- 7Kelleter 2014, S. 16.
- 8Dramedy ist ein Kofferwort aus Drama und Komödie. Es wird verwendet, wenn ein Film sowohl dramatische als auch komische Elemente aufweist oder eine Fernsehserie einen ernsthaften Inhalt humorvoll darbietet. Z. B. ist die Fernsehserie M*A*S*H*, die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Koreakrieges aus der Perspektive eines Feldlazaretts mit verzweifelt komischen Chirurgen behandelt, eine Dramedy. Der Absurdität eines Stellungskrieges gegen den ‹Kommunismus› im Nirgendwo mit zwangsverpflichteten zivilen Ärzten schien nicht anders beizukommen zu sein.
- 9Der Begriff stammt von Lyotard, nach dem das menschliche Geschichtsbewusstsein in historisch spezifische ‹Meistererzählungen› geordnet ist. Wenn ein Epochenbruch erfolgt ist, was bei der Pandemie Corona der Fall sein könnte, würde sich demnach eine neue Grand Narrative bilden, vgl.: Jean-Francois Lyotard: Das postmoderne Wissen: Ein Bericht, Köln 1986.
- 10Michel Foucault: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin 1978, S. 120.
- 11Peter Brooks: Narrative Desire, in: B. Richardson (Hg.): Narrative Dynamics: Essays on Time, Plot, Closure, and Frames. Columbus 2002, S. 130–137.
- 12Martin Marafioti: Post-Decameron plague treatises and the Boccaccian innovation of narrative prophylaxis. Annali d'Italianistica, 2005, S. 69–87, https://www.nytimes.com/interactive/2020/07/07/magazine/decameron-project-short-story-collection.html?smid=em-share (gesehen am 14.07.20).
- 13https://www.nytimes.com/2020/05/09/us/unemployment-coronavirus-women.html (gesehen am 27.07.20)
- 14Bettina Kohlrausch, Alline Zucco: Die Corona-Krise trifft Frauen doppelt, in: WSI Policy Brief, 40, 2020; Ben Etheridge, Lisa Spanting: The Gender Gap in Mental Well-Being During the Covid-19 Outbreak: Evidence from the UK, 2020; Katja Möhring, Elias Naumann, Maximiliane Reifenscheid u.a.: Die Mannheimer Corona-Studie: Schwerpunktbericht zu Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, 2020.
- 15Thomas Steinfeld: Stresstest für die Kleinfamilie, in: SZ, 27.07.20 (gesehen 29.07.20). Thomas Steinfeld unterstützt sein Argument mit dem Hinweis auf einen Text von 1934, den Gunnar und Alva Myrdal als Politikberatung für die schwedische Sozialdemokratie verfasst hatten: «Dass ein erwachsener Mensch, meistens die Mutter, die Tage zu Hause mit der Aufsicht von ein oder zwei Kindern verbringen sollte, erscheint mehr als unangemessen [stattdessen habe die Familie] in eine Gemeinschaft mit der Gesellschaft» zu treten. Alva Myrdal, Gunnar Myrdal: Krise in der Bevölkerungsfrage. Stockholm 1934.
- 16https://daserste.ndr.de/annewill/Frauen-werden-entsetzliche-Retraditionalisierung-erfahren,videoimport31586.html (gesehen am 26.07.20).
- 17https://www.fr.de/politik/merkel-live-ticker-grenzkontrollen-corona-lockerungen-bundestag-berlin-zr-13761185.html (gesehen am 26.07.20).
- 18Claire Samtleben: Auch an erwerbsfreien Tagen erledigen Frauen einen Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung, in: DIW-Wochenbericht, 86(10), 2019, S. 139–144.
- 19Carol Pateman: The Sexual Contract: Aspects of Patriarchal Liberalism, Stanford 1988.
- 20Lauren Berlant: Cruel Optimism, Durham 2011.
- 21Gabriele Dietze: Die Kommissarin: Eine deutsche Medienkarriere, in: P. P. Kubitz, G. Waz (Hg.): Die Kommissarinnen, Berlin 2004, S. 119–140.
- 22Jessica Benjamin: Die Fesseln der Liebe. Psychoanalyse, Feminismus und das Problem der Macht. Frankfurt/M. 1993.
- 23Shulamit Firestone:The Dialectic of Sex: The Case for a Feminist Revolution, New York 1993 (Erstaufl. 1970), S. 113.
- 24Geert Lovink: Digitaler Nihilismus. Thesen zur dunklen Seite der Plattformen, Bielefeld 2019.
- 25Marina Warner: Monuments and Maidens. The Allegory of the Female Form. New York 1985.
- 26Hermann Bausinger: Alltag, Technik, Medien, in: Sprache im Technischen Zeitalter 89, 1984, S. 60–70, hier 68.
- 27Das Wort «Aufgehoben» ist hier im Hegel’schen Sinne verwendet, der argumentiert, dass der Geschichtsprozess alte Formen aufhebt, im Sinne von zerschlägt, abschafft, beendet, sie aber gleichzeitig aufhebt, im Sinne von bewahrt und sie im günstigen Fall zu einer neuen Qualität emporhebt. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die objektive Logik (1813), in: Gesammelte Werke, Band 11, Hamburg, 1978, S. 57f.
- 28Christine Wimbauer, Mona Motakef: Prekäre Arbeit, prekäre Liebe: Über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse, Frankfurt/M. 2020.
- 29Ich beziehe mich hier auf Gramscis Begriff der «kulturellen Hegemonie», der viel zu selten Eingang in Gendertheorien gefunden hat. Hier ein Vorschlag der Politologin Brigitte Rauschenbach: «Gramsci verstand unter kultureller Hegemonie einen Modus der Macht, bei der Gewalt und Konsens, Zwang und Überzeugung, Recht und Freiheit, Staat und Kirche, Politik und Moral ineinandergreifen. Auf kein anderes Phänomen passt diese These so gut wie auf die Geschlechterordnung. Die Platzanweisung der Geschlechter muss im Denken, Fühlen und Alltagshandeln instinktiv funktionieren und eingeschrieben sein. Paradoxerweise fühlen sich Menschen umso mehr zu Hause und frei, je unauflöslicher die zivilen, schon längst nicht mehr spürbaren Gängelbande sind, die ihnen seit ihrer Kindheit angelegt wurden. Es ist das Werk der Kulturen, diese paradoxe Freiheit zuwege zu bringen. Kultur ist so gesehen ein Zwang, der zwanglos, wie aus eigenem Impuls als persönliches Einvernehmen im kollektiven Konsens wirkt. Kultur wirkt als Natur.» Brigitte Rauschenbach: Kulturelle Hegemonie und Geschlecht, 2005 (gesehen am 26.07.20). Rauschenbach bezieht sich bei Gramsci auf: Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Kritische Gesamtausgabe, Hamburg 1992, §187.
- 30Gabriele Brandstetter: „On research. Forschung in Kunst und Wissenschaft–Herausforderungen an Diskurse und Systeme des Wissens, in: Sybille Peters (Hg.), Das Forschen aller. Artistic Research als Wissensproduktion zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft, Bielefeld 2013, S. 63-72, hier 64.
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