Direkt zum Inhalt
Videography

Black Hawk Down, Saving Private Ryan und die Klangkulisse des Krieges

10.2.2025

English Version

Dieser Videoessay untersucht die Kriegsfilme Black Hawk Down (Ridley Scott)1 und Der Soldat James Ryan (Steven Spielberg),2 um zu demonstrieren, wie das Kriegsfilmgenre Konzepte von Konflikt und wahrgenommener Authentizität vermittelt. Er zeigt verschiedene akustische Elemente in Kriegsfilmen auf und verknüpft diese mit etablierten Methoden, die darauf abzielen, die Zuschauerschaft in den Konflikt auf dem Bildschirm oder der Leinwand einzubeziehen.

Musik in Kriegsfilmen hat oft eine klare narrative Bedeutung, die der Zuschauerschaft die Grausamkeit des Krieges vor Augen führt und den Stellenwert der heroischen Figuren, die in ihm gekämpft haben, hervorhebt. Beispielsweise werden die unverblümten Gewaltdarstellungen in Der Soldat James Ryan oft genutzt, um das Publikum über das Grauen des Krieges und die Aufopferung der amerikanischen Soldaten aufzuklären, während Black Hawk Down sich eher mit heroischen Kämpfen beschäftigt, die aus den Folgen von amerikanischen Interventionen und gescheiterten Missionen resultieren. Beide Filme zeichnen ein eher düsteres Bild vom Krieg, jedoch stellen ihre Geräuschkulisse und ihre Musik die Protagonisten der Filme als «die Guten» da, deren Geschichte dramatisch und emotional aufgeladen sind.

Dies korreliert mit der vermeintlichen Authentizität von Kriegsfilmen. Da viele von ihnen auf wahren Geschichten und historischen Ereignissen beruhen, erwartet das Publikum eine authentische Darstellung des Kriegsgeschehens, sowohl auf materieller als auch auf persönlicher Ebene. Beate Schirrmacher und Nafiseh Mousavi definieren diese beiden «Qualitäten von Authentizität», entweder als «eine wahrheitsgetreue Verbindung zur Vergangenheit über historische Objekte, Rituale und Traditionen» oder als «menschliches Verhalten, das wahrheitsgemäß oder aufrichtig die innere Zustände ausdrückt».3 Am Beispiel von Black Hawk Down zeigt sich, dass das US-Militär eine signifikante Menge an Personal und Ressourcen investiert hat, um der Originalvorlage treu zu bleiben.4 Die Geräuschkulisse des Films trägt dazu bei, dass das Publikum ein immersiveres Erlebnis dieser authentischen Darstellung hat und hilft das Seherlebnis zu intensivieren.5 Fast ununterbrochen überwältigt Black Hawk Down die Zuschauerschaft mit verbalen und physischen Konfrontationen zwischen dem vermeintlichen Bösen, den Verzweifelten und den Rettern. Untermalt wird dies durch fast durchgängige, Rhythmus-geladene Musik, die die Erzählung immer weiter vorantreibt und somit die Zuschauenden kontinuierlich sensorisch überlastet und desorientiert. Nichtsdestotrotz kann (und sollte) das wirkliche Chaos, die Unvorhersehbarkeit und der Schrecken der Ereignisse auf dem Schlachtfeld einem Filmpublikum nie auf authentische Weise vermittelt werden. Es wird immer eine Diskrepanz geben, die es der Zuschauerschaft ermöglicht, Kriegsfilme in einer sicheren Umgebung zu erleben und in der didaktische Strategien angewendet werden können. 

Die einzelnen Szenen dieses Videoessays wurden so zusammengestellt, dass sie einen Überblick über die Funktionsweise des Kriegsfilmgenres geben. Zum Beispiel wird aufgezeigt, dass die Geräusche in Der Soldat James Ryan ein unmittelbares Gefühl für die Umgebung vermitteln, in der die Soldaten agieren, und ein Unbehagen erzeugen, dass das Publikum beim Anblick der Aufopferung der Soldaten spüren sollte. Ohne eine (passende) Geräuschkulisse können Kampfszenen weniger verzweifelt und emotional erscheinen, jedoch auch besonders kraftvoll wirken. Paul Théberge nennt dies «diegetische Stille», wobei «ausgewählte Teile des Soundtracks … stumm gemacht werden … während andere Teile, wie Musik, weiter erklingen oder besonders hervorgehoben werden».6 Dieses Spiel mit der Klangkulisse zeigt, dass die reine Abwesenheit von Geräuschen eine signifikante Wirkung haben kann, da sie das Kriegsfilmgenre normalerweise nutzt, um seine Geschichten zu erzählen.

Während Ton und Musik nie das gesamte Narrativ erfassen können, werten sie das Filmerlebnis erheblich auf. Der Soldat James Ryan ist musikalisch durch Szenen am amerikanischen Soldatenfriedhof in der Normandie, Frankreich, gerahmt. Ähnlich wie zu Beginn, endet der Film mit einem sechsminütigen Orchesterstück namens «Hymn to the Fallen», dass den Abspann einleitet. Todd Decker deutet dieses musikalische Stück nicht nur als Ehrung von dem Chor und Komponist John Williams, sondern auch den «Veteranen, Soldaten, und der heiligen Idee der Nation».7 Das Publikum wird also mit mehr als der Musik, mehr als dem Film selbst zurückgelassen. Der emotionale Beginn und das patriotische Ende des Films «zwingen das Publikum zum Reflektieren und kreieren somit einen filmischen Raum in dem Soldaten und Veteranen als Verkörperung der Nation eines gedenkenden Innehaltens würdig sind».8 Diese «reflektierende Musik» ist eine der wirksamsten Strategien des Genres, das die Individualität der heroischen Kriegsfiguren ehrt und gleichzeitig das Publikum einlädt das US-Militär moralisch zu unterstützen, und folglich auch die Nation als Ganzes.9 Musik und Ton sind somit nicht nur hilfreiche Instrumente die die Bilder auf der Leinwand begleiten, sondern  sprechen ihre eigene Sprache und haben einen bedeutsamen Einfluss auf das Kriegsfilmgenre und sein Publikum.

 

Der Videoessay wurde erstmals im Rahmen des von Evelyn Kreutzer (Lugano) und Kathleen Loock (Hannover) organisierten Panels «Sounding the Video Essay: On Sound and Music in Videographic Scholarship» auf der 70. Jahrestagung der DGfA zum Thema «American Soundscapes» im Mai 2024 an der Universität Oldenburg gezeigt.
 

  • 1

    Black Hawk Down, Ridley Scott, USA, 2002.

  • 2

    Saving Private Ryan, Steven Spielberg, USA, 1998.

  • 3

    Beate Schirrmacher und Nafiseh Mousavi: Introduction: The Dynamics of Truthfulness and Media, in: Beate Schirrmacher und Nafiseh Mousavi (Hg.): Truth Claims Across Media, Cham 2024, 13.

  • 4

    Laura Miller: Pentagon Helps Out With Black Hawk Down, PR Watch, Center for Media and Democracy, 21.1.2002, https://www.prwatch.org/spin/2002/01/989/pentagon-helps-out-black-hawk-down (30.8.2024).

  • 5

    Todd Decker: Hymns for the Fallen: Combat Movie Music and Sound After Vietnam, Berkeley 2017, 20.

  • 6

    Paul Théberge: Almost Silent: The Interplay of Sound and Silence in Contemporary Cinema and Television, in: Jay Beck und Tony Grajeda (Hg.): Lowering the Boom: Critical Studies in Film Sound, Urbana-Champaign 2008, 54.

  • 7

    Todd Decker: Hymns for the Fallen, 4.

  • 8

    Ibid., 14.

  • 9

    Ibid.

Bevorzugte Zitationsweise

Seefeldt, Kristina: Black Hawk Down, Saving Private Ryan und die Klangkulisse des Krieges. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Videography, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/videography-blog/klangkulisse-des-krieges.

Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.