Umwelt/Schutz und Mutter Erde
Von Karin Harrasser
In den letzten Tagen war rund um die Klimakonferenz viel vom Umwelt- und Naturschutz die Rede. In einem Artikel fasst Sarah Milner-Barry kurz und knackig zusammen, was genderpolitisch auf dem Spiel steht, wenn wenn die Semantiken von Schutz und Kontrollverlust sich mit vergeschlechtlichten Metaphern verzwirbeln. Wenn von Mutter Erde, Gaia oder Pachamama die Rede ist, würden weder Frauen noch die Natur respektiert, hoch geschätzt und ernst genommen: Aufgrund der langen Geschichte der Identifikation der Konzepte Natur und Kultur mit kapitalistischen Logiken der Unterwerfung und Ausbeutung, bliebe auf dem Pol der Natur/Frau nur Ambivalenzen übrig: Die Natur muss entweder geschützt werden (vor dem «Übergriff» durch die Zivilisation) oder sie figuriert als Unkontrollierbar-Katastrophisches schlechthin. Milner-Barry disqualifiziert damit nicht muttergöttliche Konzepte an und für sich, aber: «The term ‹Mother Nature›, then, although it arose from spiritually rich traditions, has come to represent the twinned exploitation of all that patriarchal society considers to be inferior to men.» Noch weiter geht Isabelle Stengers «In catastrophic times», das kürzlich auf Englisch (frz. bereits 2009) erschienen ist. Sie entwickelt eine kritische Perspektive auf die gefährliche Ambivalenz des Diskurses der Politischen Ökologie, der zwischen Umweltschutz und Naturkatastrophe changiert, und betont dabei die zentrale Rolle der Ökonomie bzw. des Dogmas des Wachstums. Dem Katastrophischen sei eine triumphal-weinerliche Geste eingeschrieben: Die Selbstanklage («Wir haben das verschuldet») ähnelt demnach strukturell dem «White Man's Burden», der diesen in der Position des Machers und Retters belässt. Damit werden auch Großkonzepte wie das des Anthropozäns suspekt: Der Anthropos ist durch eigenes Verschulden bedroht, denn die geschändete Natur schlägt zurück (es ist ein rape-revenge-plot). Ist das eine gute Dramatisierung des Problems? Mir scheint es ein eher lähmendes Szenario zu sein, das sich nach wie vor auf einige heroische RednerInnen verlässt. Kein Wunder, dass sich Arnold Schwarzenegger für Klimapolitik stark macht.
Nachtrag, Mai 2016: Naomi Klein's Edward Said lecture, «Let Them Drown. The Violence of Othering in a Warming World», in: the London Review of Books, Vol. 38 No. 11 · 2 June 2016, pp. 11-14.
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