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Achsel
GAAAP_ The Blog

Über Gigi Hadids Achselhaare und feministisches Empowerment

von Katrin Eva Deja

16.12.2017

Ich bin es leid, schon wieder Schlagzeilen über Achselhaar-Aufreger zu lesen. Seit Montag führt die Internetgemeinde nun lebhafte Diskussionen über die vermeintlichen Achselhaare von Model Gigi Hadid. Die Diskussionen sind wie immer. Einige sind angeekelt und empört, die anderen finden es gut oder es ist ihnen zumindest egal. Es wird aber auch um die Authentizität der Achselhaare gestritten. Sind es wirklich Achselhaare, oder handelt es sich eventuell nur um Fussel? Um vorweg zu beruhigen, die Sprecherin von Gigi Hadid hat sich zu Wort gemeldet: Es handele sich keineswegs um Achselhaare (man würde wohl auch eher von Stoppeln sprechen), sondern um Fussel von einer blauen Jacke, die Hadid auch in einigen Sequenzen im Video trägt. Puh! Die ganze Aufregung umsonst. Die Stellungnahme scheint das Magazin Allure noch nicht mitbekommen zu haben. So kommentiert es Gigis Video folgendermaßen: «Gigi Hadid hat Beauty-Maßstäbe neu definiert. Und wir sind ganz dabei.» Werden nun Achselhaare aka Fussel zum neuen Beauty-Trend? Eine kurze Rekapitulation:

Hintergrund ist der diesjährige digitale Adventskalender des britischen Love Magazine. Schon seit einigen Jahren beglückt es uns mit softporno-artigen Videos von prominenten weiblichen Models, Schauspielerinnen oder Sängerinnen, die sich in knapper Lingerie irgendwo räkeln und in denen es viele Close-ups von Hintern und Brüsten gibt. Dieses Jahr ist laut Chefredakteurin Katie Grand ein ganz besonderes Jahr, denn «der Adventskalender ist festlich, aber auch lustig. Er beinhaltet alles, was wir an Frauen lieben, die ihre Fraulichkeit ausleben, so wie sie das möchten – zu ihren eigenen Bedingungen.» Das alles zusammengefasst in zwei Worten: #StayStrong!

Es mag nicht verwundern, dass  der Love Magazine Advent Calendar gerade 2017 unter einem ‹feministischen› Credo steht. Jüngst wurde von dem wichtigsten US-Wörterbuch das Wort «Feminimus» auf Grund seiner hohen Anzahl an Suchanfragen zum wichtigsten Wort 2017 gekürt.

2017. Ein Jahr voller sexistischer Machosprüche à la Trump, ein Jahr voller Geständnisse über sexuelle Übergriffe in Form der #metoo-Bewegung, ein Jahr voller Klamottenläden mit Fashionaccessoires und Statements-Shirts mit der Aufschrift «Feminismus» oder «Feminist». Der Feminismus ist 2017 definitiv im Mainstream angekommen.

Das Motto #StayStrong wird beim «Love Advent» wörtlich genommen und mit Sport assoziiert. Folglich befinden sich dieses Jahr die Protagonistinnen in athletischer Umgebung. So sehen wir Sportübungsräume, Ballettstangen, Turnringe etc. Manchmal werden sogar Sportklamotten und nicht nur Lingerie getragen. Nach obligatorischen Großaufnahmen von Hintern und Brüsten sowie verschwitzten stöhnenden Gesichtern wird sich meist wieder irgendwo geräkelt. Es gibt aber auch Gymnastikübungen und etwas Luftboxen, welches nicht immer hundertprozentig vom Rumgeräkel zu unterscheiden ist. Am Ende der sportiven Einheit, die sich übrigens auch alle Protagonistinnen selbst aussuchen durften, wird in Bizeps-Pose «stay strong» gesagt. Im Abspann erscheint dann noch ein Zitat jeder Protagonistin, das meist davon handelt, wie toll der Kalender ist und wie sehr sie sich (durch den Kalender) stark und selbstermächtigt fühlt oder andere Frauen mit ihrem Empowerment empowern will.

Das Supermodel Gigi Hadid verbirgt sich hinter Türchen Nummer 11. Hadid boxt ein bisschen durch die Luft und läuft ein bisschen durch die Gegend. Volleyball spielt sie auch, beziehungsweise wirft sie den Volleyball hin und her. Sie trägt eine Sportleggings und einen Sport-BH mit Cut Out, und in einigen Sequenzen trägt sie eben auch die berüchtigte blaue Fussel-Jacke. Der Stil wird vom Love Magazine mit «tomboy sexy look» definiert. Während Gigi Hadid also in ihrem tomboy sexy look Sport macht, gibt es einige Einstellungen, die ihre Achseln zeigen. Am Ende des Videos, in dem Hadid dann in Bizeps-Pose «stay strong» sagt, gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass Gigi Hadids Achseln verdächtig behaart aussehen. Das erst einmal zur Dramaturgie des Videos.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=-GvVeT7pNT8

Der mediale «Aufschrei», so titelten zumindest Gala und Focus, erinnert an die mediale Resonanz auf die Adidas Superstar-Kampagne im September dieses Jahres, in der unter anderem die Fotografin und Netzaktivistin Arvida Byström gezeigt wurde. Bekannt wurde Byström insbesondere durch ihre Fotografie, die sie auf Social Media-Plattformen postet und die sich mit Körpernormierungen und Sexualität beschäftigen. Im Video werden Byströms behaarte Beine deutlich ins Bild gesetzt. Dazu sagt sie, dass Feminität eine kulturell erzeugte Angelegenheit ist und deswegen jeder und jede feminin sein könne. Gerade dies erzeuge in den Menschen Angst. Für den 15sekündigen Spot bekam Byström unzählige Hasskommentare und sogar Vergewaltigungsandrohungen im Internet. Grund dafür waren ihre behaarten Beine. Demnach hat sich gerade das bewahrheitet, was Byström im Spot hypothetisch formuliert hat, die Angst der Menschen vor einer neuen Feminität.

Quelle: https://www.instagram.com/p/BZd1cbNggu7/?taken-by=arvidabystrom

Eine größere Achselhaar-Diskussion entfachte sich zuletzt 2015. Miley Cyrus, die sich zu der Zeit noch rebellisch gab, startete eine Netzbewegung mit dem Hashtag #dyedpits. Cyrus zelebrierte ihre Achselhaare, indem sie sie in knalligen Farben färbte und forderte die Netzgemeinde auf, es ihr gleich zu tun und das Schönheitsideal von glattrasierten Achseln neu zu besetzen. Nur kurze Zeit später war Miley Cyrus wieder glatt unter den Achseln.

Es folgte darauf der Trend des Diversity Marketings. Zwar hatte schon 2005 der Kosmetikhersteller Dove gewinnbringend seine Diversity-Kampagne gelauncht,1 jedoch bediente sich erst Jahre später Esprit der gleichen Strategie und brachte mit der Herbstkollektion 2015 die Kampagne «#ImPerfect» heraus und zelebrierte hierbei mit gleichzeitiger Digitalstrategie Individualität und Vielfalt, indem «authentische» Models ihr Empowerment gegenüber herrschenden Schönheitsidealen inszenierten. Seither zogen die großen Modeketten wie H&M – hier wurde in der Kampagne #Ladylike auch Achselhaar gezeigt – oder Mango – hier wurden immerhin alte Menschen gezeigt – nach.

Trotz der Kritik, dass es diesen Unternehmen schlichtweg um ein Mittel zur Publicity beziehungsweise um Gewinnmaximierung geht, muss man nichtsdestotrotz anerkennen, dass unter diesen Kampagnen zwar genormte, aber dennoch neue Body Images öffentlich gemacht wurden, die zuvor nicht bzw. nur marginal gezeigt wurden. Die inflationäre Nutzung von Diversity Marketing Kampagnen beeinflusst dabei die mediale Wahrnehmung und die Sehgewohnheiten von Körperbildern.

Vielleicht sind damit die inszenierten Achselhaar-Fussel von Gigi Hadid ein Weg in die richtige Richtung. So lässt sich auch ihr Zitat im Video deuten: «It's celebratory of epic human beings and always pushes boundaries.» Schade, dass diese ‹Grenzüberschreitung› von ihrer Sprecherin entmystifiziert wurde.

So bleibt am Ende nur ein ziemlich langweiliger Kalender (obwohl man sich wohl noch etwas genauer mit dem Video des Models und der selbsternannten feministischen Aktivistin Emily Ratajkowski beschäftigen müsste) sowie die Erkenntnis, dass «the hottest women in the world» selbstermächtigt und stark sind oder in gewohnter Körpernormierung und Blickregimen so tun als ob. Ganz wichtig ist zumindest, dass sie sexy sind, auch beim Sport.

Ich möchte an der Stelle auf einen älteren Beitrag aus der Spiegel-Kolumne von Margarete Stokowski verweisen, in der es ebenfalls um Achselhaare und Feminismus ging. Stokowski bezog sich hierbei unter anderem auf einen  Artikel aus der Cosmopolitan. Hier wurden Frauen vorgestellt, die Comedy und die «als sexy Feministinnen […] mit Humor auf Defizite aufmerksam» machen. Stokoswki schrieb dazu: «Als müsste man dem ekligen Wort ‹Feministin› noch das geile ‹sexy› hinzufügen, um ganz, ganz sicher zu stellen, dass es sich immer noch um fickbare Ladys handelt.»
Damit auch ein Schlusswort von Stokoswki zum Thema Achselhaare:
«‹Man kann aber doch auch ohne Achselhaare ein guter Mensch sein!‹, schreibt die Glamour. Es macht mich noch nicht einmal mehr wütend, sowas zu lesen, es macht mich nur noch müde. Es soll unterhalten, aber es tötet alles ab. Achselhaare, Alter. Es ist so scheißegal, es funktioniert nicht mal mehr als Witz.»

  • 1Vgl. Eva Kreienkamp, Gender-Marketing: Impulse für Marktforschung, Produkte, Werbung und Personalentwicklung, Lansberg (mi-Fachverlag) 2007, 73f.

Bevorzugte Zitationsweise

Deja, Katrin Eva: Über Gigi Hadids Achselhaare und feministisches Empowerment. von Katrin Eva Deja. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, GAAAP_ The Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/ueber-gigi-hadids-achselhaare-und-feministisches-empowerment.

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