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Zootopia, USA 2016 (Disney)

Zootopia, USA 2016 (Disney), Screenshot

GAAAP_ The Blog

Steinzeitargumente

Von Kathrin Peters

18.4.2016

Am Wochenende habe ich die Süddeutsche Zeitung gelesen und Zootopia angeschaut.

In der «Wissen»-Rubrik der SZ war ein Anti-Gender-Text zu lesen, «Krampfzone» ist er treffend betitelt. Solche Texte gab es schon viele, aber einen so unwissenschaftlichen im Wissenschaftsteil der SZ (16.4.), das ist hart. Man sieht es doch, ist der Tenor des Autors Christian Weber: Männer und Frauen sind eben so oder so, weil sie verschiedene Geschlechtsorgane und Körpergrößen haben. Wegen «Geschlechtshormonen» und Statistik kann es  natürlich niemals 50% Frauen in Chefetagen geben, da sei entwicklungsgeschichtlich, -psychologisch oder -biologisch sowohl bedingt als auch bewiesen. Und gelte für alle Kulturen. (Was wäre, spielte man diese Argumentation mal für «Rasse» durch oder «Behinderung»?) Ich denke an Virchow und die Eizelle. Ein wichtiges Argument der Gendertheorien hat der Autor nicht verstanden und wahrscheinlich nie zu verstehen versucht, nämlich, dass eben nicht aus bestimmten Organen und Körpersubstanzen soziale Positionen abzuleiten sind, sondern dass soziale Normen durch Lesarten des Biologischen gerechtfertigt und zu festen Bedeutungseinheiten werden. Wie notwendig diese Kritik nach wie vor ist, macht der Artikel völlig klar.

Zootopia (deutsch: Zoomania) von Disney dagegen: Ein weibliches Kaninchen will Police Officer werden, schafft es auch unter lauter Tigern, Büffeln und Eisbären zu bestehen, schließlich ist Zootopia eine postgender- und postrace-Stadt, in der verschiedene Spezies miteinander in der Regel gut auskommen. Hier gehen Mäuse und Giraffen mit ziemlichen Körpergrößenunterschieden ihren jeweiligen Beschäftigungen nach, was schon deswegen gut klappt, weil Vorkehrungen getroffen wurden, damit die einen nicht aus Versehen auf die anderen treten. Es gibt Anti-Diskriminierungsgesetze, aber eben doch auch Stereotypen, Ressentiments und die daraus entstehenden Ängste, die immer wieder durchschlagen. Als einige Raubtiere (das englische predators ist viel besser) plötzlich aufhören zu sprechen und stattdessen angreifen und als dann allmählich zur Gewissheit aller anderer wird, dass Raubtiere sich gar nicht anders verhalten könnten, weil ihre Aggressivität ja genetisch bedingt sei und deswegen jedes Raubtier eine mögliche Gefahr darstelle, empört sich ein Fuchs, Freund des Kaninchen: Wir sind doch nicht in der Steinzeit! So ist es.

 

Siee auch Katja Sabisch, Hier wird Stimmung gemacht, in: taz. 5.5.2016. 

Bevorzugte Zitationsweise

Peters, Kathrin: Steinzeitargumente. Von Kathrin Peters. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, GAAAP_ The Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/steinzeitargumente.

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