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Leere Stuhlreihen

Titelbild von Mathias Liebing auf flickr

Open-Media-Studies-Blog

Überlegungen zur (offenen) Hochschule 4.0

Kai Matuszkiewicz über die Herausforderungen und Chancen digitaler Medienkulturen für das Hochschulsystem

17.7.2019

In meinem vorhergehenden Beitrag diskutiere ich die Frage, wie sich wissenschaftliches Lesen und Schreiben als zentrale Praktiken des Wissenschaftsbetriebs vor dem Hintergrund einer offenen Wissenschaft und im Zusammenspiel mit unserer digitalen Medienkultur wandeln. Darauf aufbauend möchte ich im Folgenden Überlegungen dazu anstellen, was Offenheit als eines der gegenwärtig bedeutendsten Paradigmen im Hochschulkontext bedeuten kann und welche Konsequenzen aber auch Chancen sich für die deutsche Hochschullandschaft hieraus ergeben.

Openness Everywhere!

Oftmals geht mit der Konjunktur eines Begriffes auch eine gewisse Inflation einher. Aktuell, den Eindruck kann man zumindest gewinnen, soll alles offen sein, Exklusivität wird dergestalt zum Makel, da sie das Gegenüber ausschließt. Offenheit hingegen inkludiert und schafft hierdurch – wenigstens theoretisch – gleiche Voraussetzungen für alle. Die verschiedenen sozialen wie kulturellen Ausprägungen dieses Wunsches sind dabei freilich kein genuin digitales Phänomen. Bereits in den 1940er Jahren postuliert Karl Popper z. B. die «offene Gesellschaft».1 Jedoch werden die Diskussionen im Zuge der «Open Culture», auch katalysiert durch digitale Kommunikationsstrukturen, offener rezipierbar und gestatten die individuelle Teilhabe vermehrt.

Derart extensiv geführte Diskurse affizieren nicht zuletzt auch die Wissenschaft. Sie betreffen hierbei aber nicht nur die Frage nach den Zugängen zu Forschungstexten, Datenbanken oder Rohdaten, sondern tangieren auch Fragen nach der Gestaltung der Hochschule im Allgemeinen. «Lebenslanges Lernen» oder die wissenschaftliche Weiterbildung sind im Kontext der offenen Hochschule ebenso wichtig wie der Hochschulzugang ohne Abitur. Darüber hinaus ist aber auch die Frage virulent, was Offenheit der Hochschule weiterhin bedeuten kann. Inwiefern bringen z. B. die Studierenden zunehmend neue Anforderungen an die Hochschulen mit? Wie sehen diese konkret aus und welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Hochschulen?

Von (neuen) Studierenden und (offenen) Hochschulen

Die entscheidende Bezugsgröße für die Legitimation der Hochschulen ist der Mensch oder, genauer gesagt, sind es die Studierenden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes studierten im Wintersemester 2018/19 fast 2,9 Millionen Menschen an Hochschulen in Deutschland. Aber warum kommen junge Menschen an die deutschen Hochschulen? Etwa weil sie von deren neuesten Forschungsergebnissen angelockt werden, oder gar dem Ruf bestimmter Forschender folgen? In Einzelfällen mag dies zutreffend sein, zumeist treibt sie aber ein ganz einfacher Grund an: sie suchen in ihrem Studium eine Ausbildung für eine vielversprechende spätere Berufslaufbahn. Dementsprechend sehen sie in Hochschulen primär Ausbildungsbetriebe, sie erwarten von ihrer Hochschule den Erwerb einer Qualifikation, die sie zu reflektierten, analytischen und kompetenzgeleiteten Tätigkeiten in elaborierten Berufsfeldern befähigt, um in der Arbeitswelt 4.0 erfolgreich zu sein.2

Dieser Wunsch der Studierenden manifestiert sich bildungspolitisch längst in milliardenschweren Programmen wie dem Hochschulpakt, dem Qualitätspakt Lehre oder dem ab 2021 gültigen «Zukunftsvertrag». Die «Second Mission» wird national wie international ein immer bedeutenderer Indikator des Erfolgs von Hochschulen und auch Fragen nach der «Third Mission», nach der hochschulischen Strahlkraft auf die Gesellschaft, werden in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung immer virulenter.3 Zweifelsfrei wird die Forschung weiterhin eine Kernaufgabe der Hochschulen bleiben, wir werden aber vermehrt beobachten können, wie sich bestehende Hierarchisierungen auflösen, wie sich das Verhältnis der Missionen der Hochschulen neu gewichtet. 

Die Erwartungen der Studierenden an die Hochschulen sowie die mittlerweile auch in hochschulischen Leitbildern4 dokumentierte Offenheit gegenüber sozialen Problemstellungen ist dabei aber nur ein Aspekt. Versteht man Offenheit im hochschulischen Kontext nämlich als einen wechselseitigen Prozess zwischen mehreren Akteur_innen und greift hierbei den Third Mission-Gedanken auf, so erkennt man, dass die Hochschulen nicht nur vor der Herausforderung stehen, auf die aus der Gesellschaft vermehrt auf sie zukommende Offenheit reagieren zu müssen, sondern dass sie vielmehr die Chance haben, diesen Vorgang mitgestalten zu können.5

Das Subjekt als Ausgangs- und Endpunkt

Im Sinne eines derartigen reziproken Verständnisses kommt den Akteur_innen, v. a. den Subjekten, eine besondere Beachtung zu. Neben den Hochschulen werden deshalb insbes. die Studierenden betrachtet, welche zugleich Ausgangs- wie Endpunkt der folgenden Überlegungen sind. Will man diese nun da abholen, wo sie stehen, so muss man sich darüber Gedanken machen, wie dieses «wo» eigentlich genau beschaffen ist. Dabei wird der «örtliche» Fokus im Folgenden aus Platzgründen lediglich auf der digitalen Medienkultur als einem der prägenden Faktoren liegen. Für eben diese Medienkultur ist der offene Zugang zu medialen Artefakten sowie Inhalten konstitutiv. Welche Rolle dabei subjektive Faktoren wie das Streben nach «Selbstverwirklichung»6 oder die Beschaffenheit des vom Soziologen Andreas Reckwitz beschriebenen Subjekttyps des «konsumtorischen Kreativsubjekts»7 spielen, kann leider nur tangiert werden, obwohl das Bild einer studierendenzentrierten Hochschule gezeichnet wird.

Konsequenzen für die deutschen Hochschulen

Da die permanente Verfüg- und Erzeugbarkeit von Texten (und anderen medialen Artefakten) auch in Zukunft ein zentrales Thema der «digitalen Informationsgesellschaft» sein wird,8 trägt sie zunehmend dazu bei, dass Hochschulen nicht länger nur «analoge» Lernorte sind, sie werden auch immer mehr zu virtuellen Lernräumen.9 Dies bedingt wiederum eine Öffnung der Hochschulen gegenüber den Anforderungen der verschiedenen Akteur_innen sowie es auch eine Offenheit des Wissenschaftssystems insgesamt erfordert.

Die Offenheit und ihre Akteur_innen

Die Bildungspolitik und die großen Drittmittelgeber haben in den vergangenen Jahren im Zuge ihrer Open Science-Strategie die Open Access-Bewegung maßgeblich vorangetrieben und zwar auf nationaler sowie auf internationaler Ebene.10 Dies ist freilich auch als eine Reaktion auf bzw. Gegenbewegung zu Geschäftsmodellen von Verlagsgruppen wie Elsevier zu sehen, die zu der «Zeitschriftenkrise» führten und auch heute noch Movens für Unternehmungen wie Projekt DEAL oder cOAlition S sind. Dadurch soll auch die (durch die Digitalisierung noch erhöhte) Kontrolle kommerzieller Produzierender über die Nutzung ihrer Produkte reduziert werden.

Neben Bildungspolitik, Hochschulleitungen, Verlagen oder Bibliotheken spielen aber auch die Studierenden, Lehrenden und Forschenden als Akteur_innen eine wichtige Rolle, indem sie medienkulturelle Praktiken aus der Alltagswelt mit an die Hochschule bringen und Wandel hierdurch evozieren. Inhalte sollen z. B. schnell verfüg- und erfassbar sein, Nutzende wollen gewissermaßen «bequemer» rezipieren können. Lesen wird (wie andere Rezeptionsprozesse auch) auf digitalen Medienträgern ein zunehmend multimodaler Prozess, der nahezu überall ablaufen kann, insofern ein ausreichender zeitlicher Rahmen zur Verfügung steht. Dergestalt wandelt sich einerseits die wissenschaftliche Textproduktion. Es entstehen neue wissenschaftliche Textsorten, Ausdrucksformen werden erweitert oder modifiziert und auch der Output wissenschaftlicher Texte kann vor dem Hintergrund digitaler Infrastrukturen gesteigert werden. Andererseits bleibt aber auch die Rezeption wissenschaftlicher Texte davon nicht unberührt. Abstracts und Metadaten dienen z. B. längst nicht mehr nur der ersten Orientierung und parallel verlaufende Rezeptionsprozesse gehören mehr und mehr zum wissenschaftlichen Arbeitsprozess. Oder haben Forschende vor 30 Jahren wissenschaftliche Blogs gelesen, mit Hyperlinks, die in rhizomartige Gebilde entführen können? Lesen Sie diesen Text gerade auf Papier oder blicken Sie auf einen Bildschirm, überlegen Sie, welche Messenger-Nachricht Sie als nächstes bearbeiten oder was Sie gleich auf ResearchGate posten wollen? 

Eine Offenheit gegenüber den durch die menschlichen Akteur_innen eingebrachten Rezeptions- und Produktionsbedingungen der digitalen Medienkultur rückt Fragen nach der Usability wissenschaftlicher Texte sowie der virtuellen Lernumgebungen in den Vordergrund, die nicht unerhebliche ökonomische und rechtliche Implikationen aufweisen. Es dürfte in den kommenden Jahren somit eine größere Herausforderung sein, die medienkulturelle Realität mit den Gegebenheiten des Wissenschaftssystems in Einklang zu bringen, wobei die Medienwissenschaften aber sicherlich eine produktive vermittelnde Rolle einnehmen können.

Die Offenheit und das Wissenschaftssystem

Das studentische Aufbegehren in den 1960er Jahren setzte der 800-jährigen Geschichte der ehrwürdigen Universität von Paris ein Ende.11 Das Schicksal dieser Institution, deren Gründung als eine der Initialzündungen der europäischen Hochschulentwicklung anzusehen ist, unterstreicht, was es für Hochschulen bedeuten kann, den Anforderungen ihrer Studierenden nicht (mehr) zu entsprechen. Es gibt Anlass, zu reflektieren, was die Anforderungen der Studierenden sind, die es unbedingt zu erfüllen gilt. Im Hochmittelalter bildet die Universität Bologna gewissermaßen den Gegenentwurf zur Universität von Paris, da die Studierenden, die bis ins Spätmittelalter gar ihre Professor_innen selbst bezahlen, die Universitätspolitik maßgeblich bestimmten. Dementsprechend steht die Gründung dieser Universität Pate für all jene hochschulpolitischen Ansätze, die die studentische Handlungsmacht im Sinne einer partizipativen Öffnung des Wissenschaftssystems vorantreiben wollen. Solche Überlegungen affizieren aber nicht nur die Besetzung von Gremien, sie greifen tiefer in die Kommunikations- und Interaktionsstrukturen des Wissenschaftssystems. So ist z. B. auch danach zu fragen, ob das hochschulische Rollenverständnis der Lebenswelt der Studierenden entspricht, und ob die Studienordnungen die Arbeitsweisen der digitalen Welt widerspiegeln. 

Starre und erkennbar gestufte Hierarchien lassen sich Menschen zuweilen schwer vermitteln, die sich im Internet bewegen, das – wenn auch nur darstellerisch – Unterschiede amalgamiert und Alltagsmythen des gesellschaftlichen Aufstiegs fortwährend propagiert.12 Diese hierarchischen, am Qualifikationssystem Wissenschaft ausgerichteten Strukturen manifestieren sich nicht zuletzt in Studienordnungen, die sich nun nicht mehr bloß dem Vorwurf der Praxisferne ausgesetzt sehen, sie laufen zudem Gefahr, mit ihren Angeboten die Interessen ihrer wesentlichen Zielgruppe insgesamt zu verfehlen. Die Frage danach, wie man ein «moderneres» Rollenverständnis schaffen und in Studienordnungen umsetzen kann, ist aber weniger ein Problem als eine Chance für die Hochschulen.

Chancen für die deutschen Hochschulen

Welche Rolle kommt Studierenden gegenwärtig an einer deutschen Hochschule zu und (wie) müsste sich diese ändern, um eine offene Hochschule zu verwirklichen? Ein Ansatzpunkt wäre, Studierende als Stakeholder zu begreifen, deren Anforderungen es zu erfüllen gilt. Die Hochschulen bzw. die von ihnen ausgearbeiteten Studienverläufe funktionieren heute größtenteils noch, metaphorisch ausgedrückt, wie ein «Gantt-Diagramm». Das bedeutet, dass wir zu sehr davon ausgehen, dass komplexe Prozesse (wie ein Studium) ohne größere Schwierigkeiten im Vorfeld planbar sind. Wir hängen also noch den Ansichten des «Scientific Managements» an oder, überspitzter ausgedrückt, folgen den Implikationen des «Taylorismus». 

Diese Metapher zeigt durch Analogiebildung aber auch, welche Handlungsoptionen sich daraus ergeben. Das agile Projektmanagement entstand als Reaktion darauf, dass die Anforderungen an das Endprodukt einer Entwicklung aufgrund der Komplexität des Entstehungsprozesses nicht bereits bei Projektbeginn klar identifizierbar sind. «Scrum» oder freiere Ansätze wie «Design Thinking» entsprechen diesen Umständen und bringen hierdurch eine Offenheit mit, die für das «Projekt» Studium zuträglich und für die ermöglichende Institution Hochschule fruchtbar ist.

Auf dem Weg zur (offenen) Hochschule 4.0?

Wenn wir dies für sinnvoll erachten, so bedeutet es nicht nur, neue Projektmanagement-Tools zu lehren, es bedeutet auch, die Arbeit an der Hochschule insgesamt, Forschung und Lehre betreffend, stärker nach diesen Projektverläufen auszurichten.13 Dadurch könnten wir einen doppelten Praxisbezug erlangen, indem wir uns einerseits stärker dem Alltag und der Berufswelt öffnen und andererseits auch vermehrt digitale Gegenstände und Medien in die Hochschulen miteinbinden. Diesbezüglich bietet sich z. B. ein intensiverer Einbezug des «Blended Learnings» an, indem wir mit Studierenden Tutorials oder Lifehacks für das Hochschulleben erstellen.14 Als Open Educational Resources produziert, könnten diese die Hochschulen zu einem diverseren und inkludierenden Lernort machen, um somit zentralen bildungspolitischen Forderungen zu entsprechen und einen Beitrag zu einer (aktivieren) «digitalen Literalität» zu leisten.

Dergestalt ließe sich das Selbststudium qualitätssichernd aufwerten, wodurch auch dem Gefühl fehlender studentischer Agency begegnet werden könnte. Dies könnte zudem weiter in Richtung einer partizipativen Hochschulpolitik ausgebaut werden, die dem Verständnis von Teilhabe durch das Subjekt seitens der Digital Natives eher entsprechen dürfte.15 Letztlich bedeutet dies, Studiengangskonzepte und Hochschule ganzheitlicher aufzufassen und nicht einen Baustein auf den anderen zu setzen, um zu hoffen, dass er sich mit den anderen zusammenfügen wird. Wir sollten passendere Bausteine entwickeln! So könnten wir z. B. verstärkt kollaborative Arbeitsformen in Forschung und Lehre einbinden oder gar die Zusammenarbeit der Hochschulen untereinander weiter ausbauen.16 Denkfabriken wie das «Hochschulforum Digitalisierung» versuchen bereits, die (digitale) Vernetzung voranzutreiben.17

Von der academia zur universitas

Das Verhältnis des Subjekts zur Wissenschaft verändert sich (auch bedingt durch digitale Medien) und die Bildungspolitik reagiert auf diese Umwälzung. Doch was ist, wenn wir uns von reagierenden Maßnahmen lösen und versuchen, prospektiv ausgerichtet mitzugestalten? Eine Entwicklung hin zu einer offenen Hochschule im Sinne einer «agilen», praxisbezogenen, ganzheitlichen, kollaborativen und vernetzten Hochschule, die sich an den Erfordernissen der Zukunft ausrichtet und Offenheit bildungs- wie gesellschaftspolitisch neu versteht, dürfte aber nur möglich sein, wenn wesentliche Praktiken des Wissenschaftsbetriebs überdacht werden. Dazu gehören u. a. auch die Kulturtechniken Lesen und Schreiben. Für die Lehre könnte dies bedeuten, vermehrt auf kollaborative Schreibprojekte auch in Prüfungszusammenhängen zu setzen. Für die Forschung heißt es, sich nicht nur den neuen Rezeptions- und Produktionsgewohnheiten anzupassen oder diese zu gestalten, sondern die Lese- und Schreibforschung von den zermürbenden Fragen nach der sprachzersetzenden Wirkmacht sozialer Medien zu befreien.18 So würden wir dann z. B. nicht danach fragen müssen, ob multifunktionale Arbeitsgeräte die Prokrastination befördern, sondern wann und wie man dies abmildern kann. Ebenso produktiv ließe sich auch eruieren, welche schreibdidaktischen Optionen digitale Medien bieten, um Schreibhemmungen oder -blockaden zu überwinden.  

Dafür muss aber nicht nur das hochschulische Schreib- und Forschungsprojektmanagement agiler werden, sondern auch das allgemeine Projektmanagement im Hochschulbereich. Den kommunikativen Wandel der digitalen Medienkultur erleben wir nämlich auch vor Ort, an den Hochschulen. Es betrifft unsere Kommunikation auf dem Campus, affiziert aber letztlich auch die Administration sowie die Bildungspolitik.19 Wie ganzheitlich, wie systemisch wir dabei aber letztlich denken sollten, illustriert der abschließende Blick auf die «Third Mission». Unsere Absolvierenden nehmen das, was wir lehren, was wir ihnen vermitteln, nämlich nicht nur mit in ihr Berufsleben, sie nehmen es auch mit in ihren, in unseren Alltag. Die aufklärerische Tradition europäischer Hochschulen wachrufend, sollten wir uns selbst letztlich auch die Frage stellen, welchen Beitrag unsere Schreiblehre als «Schule des (kritischen) Denkens», gerade in der heutigen Zeit, zum gesellschaftlichen und politischen Diskurs beitragen kann.

Gerade der Medienwissenschaft als Kommunikationswissenschaft kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Medienwissenschaft kann diesen Öffnungsprozess der Hochschulen begleiten, indem sie zu einer Neugestaltung von Kommunikation und Interaktion an der Hochschule anregt und Wege aufzeigt. Dabei könnte der Gemeinschaftsgedanke wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, um die Hochschule als universitas wieder ins Zentrum zu stellen. Hochschulen wären dergestalt keine bloßen Ausbildungsbetriebe, sie wären Orte des Community-Buildings.

  • 1Vgl. Popper, Karl: The Open Society and its Enemies. 2 Bde. London 2006/7.
  • 2In diesem Zusammenhang öffnen sich z. B. insbes. die eher praktisch orientierten Fachhochschulen oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften für «neue» Studierende wie diejenigen ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung.
  • 3Vgl. dazu Schneidewind, Uwe: Die «Third Mission» zur «First Mission» machen? in: die hochschule. journal für wissenschaft und bildung, Nr. 1, 2016, 14–22.
  • 4Im Leitbild der Universität Kassel ist zur Offenheit der Hochschule z. B. festgehalten: «Denken und Handeln an der Universität Kassel sind gekennzeichnet durch Offenheit gegenüber Problemen und Herausforderungen in Gesellschaft und Natur».
  • 5Dieses Verständnis folgt der Auffassung einer Akteurstheorie, wie Uwe Schimank sie mit Blick auf Anthony Giddens Überlegungen darlegt. Vgl. Schimank, Uwe: Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie. Weinheim 2010.
  • 6Vgl. grundlegend Maslow, Abraham H.: Motivation und Persönlichkeit, Reinbek bei Hamburg 2014.
  • 7Vgl. Reckwitz, Andreas: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne, Weilerswist 2012, 588–630.
  • 8Vgl. dazu exemplarisch Danyel, Jürgen; Schuhmann, Annette; Kirsch, Jan-Holger (Hg.): Computerisierung und Informationsgesellschaft, Göttingen 2012.
  • 9Das MIT z. B. hat den Trend bereits früh erkannt und sich, neben Marketingerwägungen freilich, dazu entschieden, die Öffnung hochschulischen, standortunabhängigen Lernens voranzutreiben, indem man sich aktiv für die Open Educational Resources-Bewegung einsetzte.
  • 10Exemplarisch für die internationale Zusammenarbeit sei hier auf die Knowledge Exchange Group verwiesen, an welcher DFG, CSC, CNRS, DEFF, Jisc und SURF beteiligt sind.
  • 11Vgl. dazu grundlegend Rüegg, Walter (Hg.): Geschichte der Universität in Europa, 4 Bde., München 1993–2010.
  • 12Was Roland Barthes mit Blick auf Alltagsmythen als Aufstiegsnarrative wie den «American Dream» bereits vor über 50 Jahren herausstellte, gewinnt heute im Community-Building bekannter YouTouberinnen oder Twitch-Streamer neue Dimensionen. Im Unterschied zu manchen älteren Systemen des Starkults tendieren diese Medienunternehmenden oftmals dazu, die Differenz zwischen Star und Fan abzubauen bzw. zu marginalisieren, um hierdurch Formen von Nahbarkeit zu schaffen. Vgl. zur Funktion von Alltagsmythen Barthes, Roland: Mythen des Alltags, Berlin 2010.
  • 13 Verfahren wie Scrum bieten bei empirisch-quantitativen Studien z. B. Vorteile bei der Projektplanung, die insbes. bei einem explorativ-testenden Forschungsdesign mit mehreren Testschleifen hilfreich sein können. Dergestalt werden die Projektförmigkeit wissenschaftlichen Arbeitens sowie die kollaborative wissenschaftliche Arbeitsweise zudem stärker betont.
  • 14 Die Ergebnisse derartiger Projekte sind u. a. für Studierende mit nichtakademischem Elternhaus interessant, da sie sich über den Lebensraum Hochschule niederschwellig informieren können, ohne an klassischen Lotsenprogrammen, denen oft die Kapazitäten fehlen, teilnehmen zu müssen.
  • 15Wie ausgeprägt das Bedürfnis an politischer Teilhabe der aktuellen Studierenden sowie Schülerinnen und Schüler sein kann, zeigen die «Fridays For Future»-Demonstrationen oder das Engagement vieler junger Menschen gegen die EU-Urheberrechtsreform, die insbes. aufgrund möglicher, der Offenheit entgegenstehender medienkultureller Auswirkungen sehr kritisch betrachtet wurde.
  • 16Im Dezember 2018 lief z. B. das Projekt «Digital gestütztes Lehren und Lernen in Hessen» an.
  • 17Vgl. dazu auch Schmid, Ulrich; Zimmermann, Volker; Baeßler, Berit; Freitag, Katharina: Machbarkeitsstudie für eine (inter-)nationale Plattform für die Hochschullehre, Berlin 2018.
  • 18Hier wären z. B. Studien via citizen science games denkbar, bei denen große sprachbezogene Datenmengen durch eine Vielzahl an Spielenden gewonnen werden, um diese anschließend zu analysieren.
  • 19Die Kommunikation offener zu gestalten, erschöpft sich nicht darin, analoge oder virtuelle Plattformen zu schaffen, es bedeutet auch, einem neuen Rollenverständnis gemäß, diskursive Sagbarkeitsregeln und soziale Konventionen einer Revision zu unterziehen.

Bevorzugte Zitationsweise

Matuszkiewicz, Kai: Überlegungen zur (offenen) Hochschule 4.0. Kai Matuszkiewicz über die Herausforderungen und Chancen digitaler Medienkulturen für das Hochschulsystem. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/ueberlegungen-zur-offenen-hochschule-40.

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