Podcasts als Open-Science-Instrument (Teil 1)
Anna Luise Kiss zur Definition von wissenschaftlichen Podcasts, zu ihrer Verbreitung sowie zu film- und serienbezogenen Audiopodcasts.
Open Science und Podcasts. Zwei Themenfelder, denen sich auf mindestens zwei Wegen angenähert werden kann. Zum einen gibt es Podcasts, die speziell auf das Thema Open Science ausgerichtet sind und diese Wissenschaftskultur popularisieren wollen. Als Beispiel kann der bereits in den Jahren 2012 und 2013 veröffentlichte Videopodcast Open Science von der University of Oxford angeführt werden, der gerade für Open-Science-Einsteiger_innen immer noch interessant ist. Auch im ORION Open Science Podcast, produziert von Luiza Bengtsson, Emma Harris und Zoe Ingram, gibt es – obwohl am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin angesiedelt – immer wieder Episoden, die auch für Geisteswissenschaftler_innen informativ sind. So sprachen die Produzentinnen im April 2020 mit Cable Green, dem Interim-CEO und Direktor des Bereichs Open Education bei Creative Commons, über CC-Lizenzen. Daneben deckt das Open Science Radio von Matthias Fromm und Konrad Förster ein breites Spektrum zu Open Science ab. Verwiesen werden kann auch auf die achte Episode in meinem Podcast Film Studies bling-bling, in dem Sarah-Mai Dang und Franziska Heller sich speziell zu Open Science und Open Access in der Medien- und Filmwissenschaft geäußert haben.
Das Themenfeld Open Science und Podcasts kann aber auch über die die vielen Wissenschaftler_innen erschlossen werden, die mittlerweile Podcasts nutzen, um Forschungsergebnisse und sich oder andere Wissenschaftler_innen im Sinne eines Open Access Podcasting zu präsentieren. Open Science spielt dabei in den Podcasts selbst nur eine untergeordnete Rolle, die Wissenschaftler_innen leisten aber aus ihrer jeweiligen Disziplin heraus einen Beitrag zur Open-Science-Kultur.
Dieser zweiteilige Blogbeitrag wählt für die Annäherung an das Themenfeld Open Science und Podcasts den zweiten Weg, nimmt eine Fokussierung auf die Medien- und Filmwissenschaft vor und geht dabei ausschließlich auf Audiopodcasts ein.
In diesem ersten Blogeintrag werden zunächst Podcasts allgemein und dann spezifisch wissenschaftliche Podcasts definiert, bevor auf die Verbreitung von Podcasts eingegangen wird. Daraufhin werden ein paar Beispiele zum Lieblingsthema vieler Podcaster_innen und Hörer_innen, nämlich TV/Filme/Serien, aufgeführt.
Im zweiten Teil des Blogposts, der Mitte November erscheint, werden detaillierter einige medien- und filmwissenschaftliche Podcasts vorgestellt, die erkennen lassen, wie Podcasts als Open-Science-Instrument eingesetzt werden können, und es wird auf drei weitere Ebenen hingewiesen, auf denen Podcasts für Medien- und Filmwissenschaftler_innen relevant sein können: als Lehrmedium, als Untersuchungsgegenstand und als Forschungsmedium. Abschließend gebe ich – ausgehend von meinen eigenen ersten Erfahrungen als Podcastproduzentin – ein paar Hinweise, worauf beim Entwickeln eines wissenschaftlichen Podcasts geachtet werden kann. Ziel ist es, mit dem zweiteiligen Blogbeitrag einen kompakten Überblick zu geben und erste Schritte für den Einstieg ins Podcasten zu skizzieren.
Als eine Art auditive Brücke zwischen dem ersten und dem zweiten Blogeintrag fungiert eine Spezialfolge die im Rahmen des Podcast Film Studies bling-bling erschienen ist. Darin erzählen Yugen Yah und Susanne Braun, Produzent_innen des Indiefilmtalk, und Will DiGravio, Produzent des Video Essay Podcast, von ihren Erfahrungen als Podcaster.
Definitionen
Bei Podcasts handelt es sich um On-Demand-Audioinhalte, die zu einem bestimmten Thema über das Internet zur Verfügung gestellt werden. Wesentlich für ihre Definition ist, dass Podcasts über einen RSS-Feed (Really Simple Syndication) verfügen. Darin werden alle wichtigen Informationen gespeichert, die von Podcast-Verzeichnissen und Podcast-Clients ausgewertet werden. Der RSS-Feed ermöglicht das Abonnieren von Podcasts, sodass die Hörer_innen automatisch mit neuen Episoden auf ihren jeweiligen Endgeräten (Smartphone, Tablet, PC etc.) versorgt werden. Aber auch ohne ein Abonnement können Podcasts in der Mehrheit auf den Webseiten der Produzent_innen angehört werden.
Als wichtige technische Voraussetzung für Podcasts mussten zunächst das World Wide Web, das MP3-Format, das Audio-Streaming und der RSS-Feed etabliert werden, weshalb der Beginn des Podcastens ca. auf die Jahrtausendwende, also 1999/2000 anzusetzen ist. Ein übersichtliches Schaubild zu dieser Entwicklung ist die Abbildung 2 in der Audioversum-Studie 2020. Der Begriff Podcasting geht laut Samuel Hansen auf einen Artikel von Ben Hammersly in The Guardian aus dem Jahr 2004 zurück. Schon ein Jahr später kürte Oxford Languages «podcast» zum US Word of the Year.
Podcasts werden von öffentlich-rechtlichen, von privaten Medienunternehmen und von freien Medienschaffenden – vor allem aber von zahlreichen Akteur_innen realisiert, die sich nicht in diese drei Kategorien einordnen lassen. Podcasts erscheinen als abgeschlossene (Mini-)Serien oder als kontinuierliche Formate, die im Prinzip unendlich lange laufen können. Die Länge pro Episode ist variabel und reicht von wenigen Minuten bis zu über einer Stunde. Milliarden von Podcastfolgen sind erhältlich, in allen nur erdenklichen Produktionsweisen und zu unterschiedlichsten Themen sowie in einer großen Genrevielfalt: fiktionale und dokumentarische Formate, geskriptet und freigesprochen, als Interviews, Gruppengespräche oder Monologe, wort- oder musikbasiert, zu Nachrichten, Politik, Comedy, Talkshows, Sport, Lebenshilfe, Bildung, Natur, Gaming etc.
So vielfältig die Podcasts insgesamt, so vielfältig sind auch die wissenschaftlichen Podcasts. Eine grobe Einteilung kann dahingehend vorgenommen werden, dass es einerseits Podcasts gibt, die allgemein und disziplinübergreifend wissenschaftliche Themen behandeln, und es andererseits solche gibt, die einer spezifischen Disziplin gewidmet sind. Des Weiteren kann unterschieden werden zwischen Podcasts, die von institutionellen Medienmacher_innen, und solchen, die von wissenschaftlichen Einrichtungen oder gar einzelnen Wissenschaftler_innen realisiert werden. Ein drittes Unterscheidungskriterium ist, ob sich der wissenschaftliche Podcast an die wissenschaftliche Community oder an eine breitere Öffentlichkeit wendet. Über Listen mit von Journalist_innen als gut bewerteten wissenschaftlichen Podcasts oder über Podcast-Charts kann man sich einen Überblick über besonders populäre Wissenschaftspodcasts verschaffen, allerdings ist es eher die Spezialseite wisspod oder eine Seite im Augenspiegel (ein Blog der Helmholtz-Gemeinschaft zum Thema Wissenschaftskommunikation), die einem die Bandbreite der Wissenschaftspodcasts auch jenseits von Zuhörer_innen-Quoten und der institutionell verankerten Produzent_innen aufzeigen.
Verbreitung
Eine gute Quelle, um sich über die Verbreitung von Podcasts in Deutschland zu informieren, ist die von AS&S herausgegebene Fachzeitschrift Media Perspektiven. Werden die dort veröffentlichten Studienergebnisse gegenübergestellt, zeichnet sich ein anhaltender Boom ab. Gab es im Jahr 2007 noch unter 5 Millionen sporadische und regelmäßige Podcast-Nutzer_innen in Deutschland, waren es im Jahr 2018 hochgerechnet ca. 20 Millionen.1 The Podcast Consumer 2019 und The Infinite Dial 2020 zeigen außerdem, dass das Podcasten selbst in den USA, wo es sich früher als z. B. in Deutschland zu einem regelrechten Markt entwickelt hat, immer noch an Bekanntheit und Marktanteilen gewinnt.
Die steigende Zahl an Podcasts und Zuhörer_innen geht mit einer wachsenden Produktion von wissenschaftlichen Podcasts einher. Eine Studie zu englischsprachigen naturwissenschaftlichen Podcasts verzeichnet zwischen 2004 und 2010 eine lineare Veröffentlichung von neuen Wissenschaftspodcasts, zwischen 2010 und 2018 jedoch einen exponentiellen Anstieg, wobei sich die die Mehrheit der 952 untersuchten Wissenschaftspodcasts (77 Prozent) an ein breites Publikum richtet. Eine vergleichbare Studie zu geisteswissenschaftlichen Podcasts habe ich nicht finden können. Ich gehe aber davon aus, dass zwar deutlich weniger geisteswissenschaftliche Podcasts existieren, ihre Zahl jedoch auch zugenommen hat.
Podcaster_innen und ihre Hörer_innen lieben TV-Shows, Filme und Serien
Für potenzielle Podcaster_innen aus der Medien- und Filmwissenschaft kann es interessant sein, dass ein Drittel der Hörer_innen in Deutschland im Jahre 2017 Podcasts zum Thema TV/Filme/Serien rezipierte, womit dieses Themenfeld Platz 1 belegte (auf diesen Aspekt komme ich später nochmals zu sprechen).2 Ohne dies belegen zu können, vermute ich, dass die große Beliebtheit von TV-, Film- und Serien-Podcasts auf das Publikum weltweit zutrifft. Unzählbar sind Podcasts, in denen Cineast_innen und enthusiastische Fans über Filme, Serien und TV-Shows sprechen. Hier nur ein paar wenige Beispiele zu Film- und Serien-Podcasts: Da wäre etwa Black on Black Cinema, in dem Micah Payne, Jack Rous und Terrence Carpenter jede Woche über Klassiker und neue Produktionen des Black Cinema diskutieren. In dem Podcast Azja kręci befassen sich Jagoda Murczyńska und Marcin Krasnowolski mit chinesischen Filmproduktionen der Gegenwart und Klassikern des chinesischen Films, während Filmhu auf den ungarischen Film konzentriert ist. Auch Filmkritiker_innen nutzen Podcasts für ihre Arbeit. So z. B. Anupama Chopra. Sie bespricht in Anupama Chopra Film Reviews über Bollywood- und Hollywood-Filme und führt Interviews mit Filmschaffenden. Das Team aus Filmkritiker_innen und Cineast_innen von cinematório produziert gleich sechs verschiedene Podcastformate. Darunter auch Cinema e Ciência, in dem Film und naturwissenschaftliche Themen miteinander verwoben werden. Podcasts wie der Black Girl Film Club von Britney Brinson und Ashley Ayer oder Sorociné von der Filmkritikerin Pauline Mallet wählen eine intersektionell-feministische Perspektive auf audiovisuelle Produkte der Popkultur. Hinzu kommen Filminstitutionen, die eigene Podcasts produzieren. So hat z. B. das DFF (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum) im Mai 2020 den Podcast Alles ist Film – Der Podcast des DFF gestartet. Yugen Yah und Susanne Braun von Indiefilmtalk präsentieren regelmäßig unter anderem die sogenannten DFFB Sessions. Dabei handelt es sich um Gesprächsrunden mit Medienschaffenden, organisiert durch die DFFB (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin), in denen es darum geht, insbesondere angehenden Film- und Fernsehschaffenden einen praxisnahen Eindruck von der Arbeit in der Branche zu vermitteln. Hinzu kommen diverse spezialisierte Podcasts, die sich nur einer Serie, einem Filmemacher (ein Podcast über eine Filmemacherin ist mir bislang nicht bekannt) oder spezifischen Filmberufen widmen. So geben z. B. in Med dansk tale Schauspieler_innen einen Einblick in ihre Arbeit als Synchronsprecher_innen für den dänischen Serien- und Filmmarkt. Die hier aufgeführten Beispiele sind nur die Spitze der Spitze des Eisbergs zu Film- und Serien-Podcasts.
To be continued...
Nach diesem knappen Einstieg ins Thema Open Science und Podcasts wird im zweiten Blogeintrag der Fokus auf Podcasts aus der Medien- und Filmwissenschaft gelegt und eine „How to“-Liste entworfen, die zum Produzieren von wissenschaftlichen Podcasten anregen soll. Da der zweite Blogeintrag erst in einigen Wochen erscheint, kann in der Zwischenzeit eine Spezialfolge angehört werden, die im Rahmen des Podcast Film Studies bling-bling erschienen ist. Yugen Yah und Susanne Braun vom Indiefilmtalk und Will DiGravio vom Video Essay Podcast, erzählen darin, was sie zum Podcasten gebracht hat und worauf bei der Entwicklung eines Podcast geachtet werden sollte. Viel Spaß mit der Spezialfolge!
Mehrteilige Reihe
- Podcasts als Open-Science-Instrument. Über die Definition von wissenschaftlichen Podcasts, zu ihrer Verbreitung sowie zu film- und serienbezogenen Audiopodcasts.
- Podcasts als Open-Science-Instrument. Über Podcasts aus der Medien- und Filmwissenschaft und zu ersten Schritten für den Einstieg ins wissenschaftliche Podcasten.
- 1Eigentlich ist dieser Vergleich nicht statthaft, da wir es bei den verschiedenen Studien mit teilweise unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu tun haben.
- 2Vgl. Bernard Domenichini: Podcastnutzung in Deutschland. Ergebnisse einer empirischen Studie, in: Media Perspektiven, Jg. 2018, Nr. 2, 46–49, hier 46.
Bevorzugte Zitationsweise
Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.