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Ein geöffnetes Buch, das auf einem Tisch liegt.

«Open Book». Photo on unsplash.com, free license.

Open-Media-Studies-Blog

Open-Access-Finanzierung – Mission (im)possible?

Zu Open-Access-Finanzierungsmodellen für die Medien- und Kommunikationswissenschaft

15.8.2022

Open Access in der Medien- und Kommunikationswissenschaft

Open Access und Open Science sind aus der Wissenschaftskommunikation nicht mehr wegzudenken, auch in der Medien- und Kommunikationswissenschaft wird beides zunehmend diskutiert. So widmete sich die 70. Jahrestagung der International Communication Association 2020 dem Thema Open Communication. Dienlin u.a. stellten 2021 «An Agenda for Open Science in Communication» vor, die in das Special Issue «Open Communication Research» des Journal of Communication im selben Jahr mündete.

Auch im deutschsprachigen Kontext spielen Open Science und Open Access (OA) im Speziellen eine immer größere Rolle: Seit 2017 erscheint das Publikationsorgan der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM), die Zeitschrift für Medienwissenschaft , im Open Access. Der Open-Media-Studies-Blog bietet seit 2018 ein öffentliches Forum für aktuelle Debatten zum Verhältnis der Medienwissenschaft zum Themenkomplex Open Science/Open Scholarship. Erklärtes Ziel auch der 2018 in der GfM gegründeten AG Open Media Studies ist eine «Positionierung der deutschsprachigen Medienwissenschaft in diesem Feld». Ein weiterer wichtiger Akteur ist das Repositorium für die Medienwissenschaft media/rep/, auf dem medienwissenschaftliche Publikationen im Open Access (zweit-)veröffentlicht und recherchiert werden können. Der Fachinformationsdienst Medien-, Film- und Kommunikationswissenschaft adlr.link sensibilisiert die Fachcommunity ebenfalls für dieses Thema, indem er beispielsweise OA-Ressourcen im Suchkatalog extra kennzeichnet und bei der Konzeption von OA-Finanzierungsmodellen berät.

Rolle der Universitätsbibliotheken bei der OA-Transformation

Neben fachlichen Überlegungen stellt sich bei der Entscheidung bezüglich einer OA-Publikation auch die Frage nach der Finanzierung. Viele Wissenschaftler_innen werden mit hohen Publikationsgebühren beim OA-Publizieren konfrontiert, die insbesondere für die Geistes- und Sozialwissenschaften eine große Hürde für die Etablierung dieses Publikationswegs darstellen. Hier kommt den Universitätsbibliotheken (UB) eine wichtige Rolle zu, die Wissenschaftler_innen ihrer Einrichtungen bei der Finanzierung von OA-Publikationen bedarfsgerecht zu unterstützen, ihnen passende Wege aufzuzeigen, aber auch die OA-Inhalte nachzuweisen und deren Auffindbarkeit sicherzustellen.

Die UB Leipzig beispielsweise unterstützt die OA-Transformation konsequent seit vielen Jahren. Die OA-Finanzierung stellt dabei einen zentralen Bestandteil ihrer Erwerbungspolitik dar. So wird ein großer und wachsender Teil ihres Erwerbungsetats für die Finanzierung von OA-Content verwendet – 2020 betrug der Anteil für Produkte mit OA-Komponente rund 40 % der Kosten, die insgesamt für E-Medien aufgewendet wurden. Die strategische Planung und Mittelverwaltung erfolgt dabei in enger Abstimmung zwischen Erwerbungsleitung, den jeweils zuständigen Fachreferent_innen, den OA-Referentinnen und der E-Medien-Erwerbung.

Neben der Einrichtung von Publikationsfonds für die Finanzierung autorenseitiger Publikationsgebühren für OA-Zeitschriftenbeiträge (APCs) 1 und OA-Monographien und -Sammelbände (BPC) 2 und dem Verhandeln von Transformationsverträgen 3 mit Verlagen mit speziellen OA-Publikationskomponenten fördert die UB Leipzig auch die Umsetzung von verlagsunabhängigen OA-Projekten und beteiligt sich an kooperativen Modellen der OA-Finanzierung.

In diesem Beitrag stelle ich unsere Erfahrungen speziell mit den zwei letztgenannten OA-Finanzierungsmodellen vor, da sie für die Geistes- und Sozialwissenschaften und damit auch für die Kommunikations- und Medienwissenschaft von besonderer Relevanz sind.

Förderung von verlagsunabhängigen OA-Projekten

Um der Vielfalt der Publikationskulturen Rechnung zu tragen und innovative Publikationsideen zu unterstützen, wurde 2015 an der Universität Leipzig der PublikationsfondsPLUS eingeführt, aus dem Zuschüsse für fachlich hochwertige und nachhaltige verlagsunabhängige OA-Publikationsprojekte beantragt werden können. Bezüglich der Formate der geförderten OA-Veröffentlichungen gibt es dabei prinzipiell keine Einschränkung. Es können etwa Neugründungen von OA-Zeitschriften oder die Transformation bisher subskriptionspflichtiger Zeitschriften oder Reihen zu Open Access, die Herausgabe monographischer Reihen oder Konferenzbände u.v.m. unterstützt werden. Zu den bisher geförderten Projekten gehörten die verlagsunabhängige Veröffentlichung von OA-Büchern (Sammelbänden, Tagungsbänden), der Aufbau von OA-Zeitschriften und die Professionalisierung einer Online-Publikationsplattform. 4

Verlagsunabhängige OA-Publikationsprojekte verlangen immer viel Engagement und Eigenleistung seitens der Autor_innen bzw. Herausgeber_innen. Neben genuin wissenschaftlichen Aufgaben, etwa der Verfassung der akademischen Texte oder der Herausgebertätigkeit, die sie auch bei Verlagspublikationen selbst leisten, kommen auf sie zusätzlich Aufgaben im Zusammenhang mit der Produktion und Verbreitung der Publikationen zu. Damit haben Wissenschaftler_innen i. d. R. wenig Erfahrung, sodass sie insbesondere bei diesen Themen Unterstützung bei der Realisierung ihrer Projekte benötigen.

Die UB Leipzig unterstützt ihre Universitätsangehörigen dabei durch bedarfsgerechte, fachspezifische Schulungs- und Beratungsangebote, die Bereitstellung einer kostenfreien OA-Publikationsinfrastruktur – des Publikationsservers der Universität Leipzig Qucosa und der Publikationsplattform Qucosa.Journals für OA-Zeitschriften – sowie umfassender bibliothekarischer Publikationsservices, etwa die Beantragung einer ISSN bei der Deutschen Nationalbibliothek, die Vergabe von persistenten Identifikatoren (URN, DOI), die Konfiguration und Datenmigration in der E-Journal-Software OJS u.v.m. Dies hat bereits zur Professionalisierung vieler OA-Reihen und -Zeitschriften der Universität Leipzig beigetragen und sichert damit deren Verbreitung, Auffindbarkeit und Langzeitarchivierung. Keine Unterstützung hingegen können wir für die Produktion der Publikationen selbst anbieten, die bei Verlagspublikationen klassischerweise durch einen Verlag übernommen würde. Und so verwundert es nicht, dass bei verlagsunabhängigen OA-Projekten am häufigsten eine finanzielle Unterstützung gerade für Produktionsaufgaben wie Layout, Design und Gestaltung oder Lektorat im PublikationfondsPlus beantragt werden, um diese entweder durch zusätzliches Personal oder durch externe Dienstleister leisten zu können.

Die Erfahrungen an der UB Leipzig zeigen, dass trotz finanzieller und umfangreicher bibliothekarischer Unterstützung verlagsunabhängige OA-Projekte eine Herausforderung für die Wissenschaftler_innen darstellen, vermutlich, da es nicht zu ihren genuinen Kompetenzen gehört, «verlegerisch» tätig zu werden. 5 So ist es vorgekommen, dass Herausgeber_innen, die einen Tagungsband mit viel Engagement in Eigenregie mit einer Förderung aus dem PublikationsfondsPLUS auf dem Publikationsserver der Universität Leipzig realisiert haben, sich beim Nachfolgeband doch wieder für eine Verlagspublikation entschieden haben, um gerade die Produktionsaufgaben wie Lektorat und Layout lieber an den Verlag übertragen zu können. Ein weiterer Grund dafür könnte auch das Renommee des Verlags sein, das eine Publikation unter Umständen aufwertet. 6

Dennoch erachten wir die Förderung und Stärkung von verlagsunabhängigen OA-Infrastrukturen und -Projekten als einen wichtigen Baustein in der OA-Transformation und haben diese daher fest in unsere Erwerbungspolitik verankert, nicht zuletzt, um finanzielle Freiräume für innovative, wissenschaftsgeführte OA-Projekte zu schaffen.

Kostenfreies OA-Publizieren dank kooperativer Finanzierungsmodelle

Vielen Wissenschaftler_innen ist das sogenannte Author-pays-Modell, welches sich insbesondere im Zeitschriftenbereich stark etabliert hat, als einziges OA-Geschäftsmodell bekannt. Bei diesem Modell verlangen die Verlage autorenseitige Publikationsgebühren. Dass das viele Autor_innen, insbesondere in den finanziell weniger gut ausgestatteten Geistes- und Sozialwissenschaften und ganz besonders auch den wissenschaftlichen Nachwuchs, vor Herausforderungen stellt, ist Bibliotheken und Forschungseinrichtungen sehr wohl bewusst. Neben der Einrichtung von Publikationsfonds, bei denen Institutionen die individuellen Kosten «ihrer» Autor_innen stellvertretend übernehmen, gibt es daher ein wachsendes Interesse an Geschäftsmodellen, die auf eine Finanzierung der gesamten Publikationsinfrastruktur abzielen, so dass auch andere Autor_innen, insbesondere auch solche ohne institutionelle Anbindung, davon profitieren können.

Solche OA-Finanzierungsmodelle, bei denen keine Publikationsgebühren sowohl für die Leser_innen als auch für die Autor_innen anfallen, werden Platinum oder Diamond OA genannt. Die Kosten für das jeweilige Publikationsorgan werden dabei gemeinschaftlich von mehreren Einrichtungen getragen, die dafür einen bestimmten finanziellen Beitrag – ähnlich wie beim ursprünglichen Verfahren der Subskription – entrichten. Allerdings wird das «Produkt» – im Unterschied zur Subskription – nicht nur für die eigene Einrichtung gekauft, sondern allen ohne Nutzungsbeschränkung frei zur Verfügung gestellt. Dadurch können alle Autor_innen kostenfrei in solchen Publikationsorganen Open Access veröffentlichen, unabhängig davon, ob sie einer der beteiligten Einrichtungen angehören oder nicht.

An der UB Leipzig erachten wir die kooperative OA-Finanzierung als eine wichtige Säule der OA-Transformation und eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen, auf Publikationsgebühren basierenden OA-Geschäftsmodellen. Wir beziehen sie daher konsequent in unserer Erwerbungsstrategie mit ein – so investierten wir 2020 rund 40.551 EUR unseres Erwerbungsetats in solche Modelle.

Über neue kooperative OA-Modelle wird an der UB Leipzig in enger Abstimmung zwischen Erwerbungsleitung, den jeweils zuständigen Fachreferent_innen, den OA-Referent_innen und der E-Medien-Erwerbung in einem eigens dafür zuständigen Gremium entschieden. Ähnlich wie bei Transformationsverträgen werden die Angebote anhand eines Kriterienkatalogs hinsichtlich der Kostentransparenz, Kostenentwicklung und Nachhaltigkeit analysiert und bewertet. Solche OA-Produkte werden als Erwerbungen betrachtet, daher spielen bei der Entscheidung der fachliche Zuschnitt der geplanten Kollektionen sowie die Erwerbungskosten pro Publikation eine wichtige Rolle. Als eine Grundvoraussetzung für die Beteiligung erachten wir zudem, dass autorenseitige Publikationsgebühren eindeutig ausgeschlossen sind.

Unter den Beteiligungen der UB Leipzig an kooperativen OA-Finanzierungsmodellen sind für die Kommunikations- und Medienwissenschaft folgende besonders relevant:

Open Book Publishers

<Open Book Publishers (OBP) ist der größte unabhängige Verleger wissenschaftlicher Literatur vor allem aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, in dem Autor_innen kostenfrei publizieren können. Möglich ist dies dank eines nachhaltigen Finanzierungsmodells, in dem u. a. Mitgliedsbeiträge aus dem Library Membership Programme (mit aktuell 226 Mitgliedern) eine wichtige Säule sind. Die UB Leipzig nimmt seit 2018 daran teil. Seit der Gründung im Jahr 2008 konnten so mehr als 240 OA-Titel veröffentlicht werden.

Medienwissenschaftler_innen können bei OBP insbesondere zu den Fachgebieten Cinema and Photography und Media Studies and Journalism veröffentlichen.

Open Library of Humanities

Open Library of Humanities (OLH) ist Verlag, Publikationsplattform und Megajournal zugleich und verpflichtet sich ebenfalls zu einem kostengünstigen und nachhaltigen OA-Modell für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Neben dem gleichnamigen Megajournal werden auf der Plattform mittlerweile 27 Gold-OA-Zeitschriften publiziert. Sie alle verzichten auf die Beteiligung von Autor_innen an den Publikationsgebühren zugunsten einer institutionellen Finanzierung. Aktuell tragen rund 300 Bibliotheken, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderer weltweit durch freiwillige jährliche Beiträge die laufenden Kosten des Verlages, darunter seit 2017 auch die UB Leipzig.

Von Relevanz als Publikationsorgane für medienwissenschaftliche Veröffentlichungen sind insbesondere die OA-Zeitschriften Open Screens, The Comics Grid: Journal of Comics Scholarship sowie die Special Collections From TV To Film und Postcolonial Perspectives in Game Studies im Megajournal OLH.

Transcript Open Library Medienwissenschaft

Mit der Open Library Medienwissenschaft strebt der Verlag transcript die vollständige Öffnung seines Programmbereichs Medienwissenschaft an. Zusammen mit dem Fachinformationsdienst für Medien-, Kommunikations- und Filmwissenschaft adlr.link wurde dafür ein überregionales Bibliothekskonsortium aufgebaut, mit dessen Hilfe die Neuerscheinungen des Programmbereichs im Open Access veröffentlicht werden sollen. Der Verlag garantiert dabei den Autor_innen die kostenlose Veröffentlichung ihrer Publikation (Print und E-Book). Die UB Leipzig hat sich entschlossen, sich 2022 als Vollsponsorin an der Open Library Community zu beteiligen.

Die Kostenkalkulation pro Buch basiert auf 13 Titeln pro Jahr. Für das erste Jahr ergibt sich aufgrund einer BMBF-Förderung dadurch ein moderater Preis i. H. v. 22,31 EUR/Buch. Der Buchpreis steigt allerdings in den Folgejahren stark auf 110 EUR bzw. 130 EUR und unterscheidet sich somit deutlich von den bisherigen Durchschnittspreisen der medienwissenschaftlichen Publikationen von transcript. Dies wird sicherlich eine Neubewertung des Modells unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem ersten Jahr notwendig machen.

Fazit

Wissenschaftler_innen entscheiden frei und i. d. R. rein aus fachlichen Überlegungen, wo und wie sie publizieren wollen. Und das ist auch gut so! Um sie dabei bestmöglich unterstützen zu können, sollten Universitätsbibliotheken ihre Entscheidungsgründe kennen und ihnen darauf basierend optimale Rahmenbedingungen für ihre Publikationsaktivitäten schaffen. In Bezug auf die OA-Transformation kommt ihnen daher in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle zu: Die Zuständigen an den Bibliotheken sollten sich bei ihren Hochschulleitungen dafür einsetzen, dass ausreichend finanzielle Mittel für OA-Publikationsgebühren entsprechend der Publikationsleistung der Einrichtung bereitgestellt werden, und damit im Sinne der Fächergerechtigkeit OA-Publikationsfonds für verschiedene Publikationsarten aufbauen – nicht nur für OA-Zeitschriftenbeiträge sondern auch für OA-Monographien und -Sammelbände sowie für verlagsunabhängige OA-Projekte. In ihrer Erwerbungsarbeit sollten Fachreferent_innen neben der Literaturversorgung auch die Publikationstätigkeit der Wissenschaftler_innen ihrer Fachdisziplinen stärker in den Blick nehmen und dafür sorgen, dass passende fachspezifische Publikationsorgane erschlossen werden, sei es durch den Abschluss von Transformationsverträgen mit OA-Publikationskomponenten mit relevanten Verlagen oder durch Investitionen aus ihren Erwerbungsbudgets in kooperativen OA-Finanzierungsmodellen. Und schließlich sollten all diese OA-Finanzierungsangebote durch Beratung und fachspezifische Informations- und Schulungsangebote an ihre Nutzergruppe herangetragen werden. Nur so können den Wissenschaftler_innen eventuelle Vorbehalte und Unsicherheiten bezüglich des OA-Publizierens genommen und ihnen passende Publikationswege aufgezeigt werden. Denn die OA-Finanzierung ist auch für die Kommunikations- und Medienwissenschaft keinesfalls eine Mission impossible!

Bevorzugte Zitationsweise

Slavcheva, Adriana : Open-Access-Finanzierung – Mission (im)possible?. Zu Open-Access-Finanzierungsmodellen für die Medien- und Kommunikationswissenschaft. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/open-access-finanzierung-mission-impossible.

Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.