Menstruationstasse goes Fashion
Spotted von Katrin Eva Deja
In einer kleinen Ecke im Klamottenladen «Monki» wurde alles in rosa Farbe einsortiert. Zwischen Pullis, Cardigans und einer pelzigen Handtasche bemerke ich die Menstruationstassen fast gar nicht. Im untersten Regal im stylishen pink liegen zwei Exemplare der Menstruationstasse in jeweils verschiedenen Größen zum Angucken und Anfassen aus. Daneben die ebenso stylish verpackten Menstruationstassen mit Ausschrift «The power within». Zunächst war da ein Gefühl der Befremdlichkeit. Warum ist eine Menstruationstasse in einem Klamottenladen? Habe ich den Trend der Menstruationstasse als It-Piece und Must-Have der Saison verpasst? Bei der diesjährigen Mainstreamisierung des Begriffs «Feminismus» wunderte mich es irgendwie gar nicht. Habe ich doch zuvor im Laden einige Statement-Feminismus-Shirts sowie ein Notizheft mit der Aufschrift «Feminist» (sinnbildlich hierbei das blanko Papier) gesichtet.
In der feministischen Communities der Social Media wird schon seit längerem der Versuch unternommen, die Periode zu enttabuisieren. Auf Instagram häufen sich die Fotos von blutigen Höschen, Tampons und Binden. Nichtsdestotrotz war ich bei allem Verständnis für die Enttabuisierung erst einmal der Überzeugung, dass Hygieneartikel nach wie vor in den Drogerie-Markt oder in die Apotheke gehören. Die Popisierung der Menstruationstasse zum Fashion-Accessoire als eine neue perfide Marketingstrategie?
Die Menstruationstasse ist dabei gar keine neue Trend-Erfindung, sie konnte sich jedoch nie richtig etablieren. Ich erinnere mich, dass ich zum ersten Mal Menstruationstassen im Reformhaus gesehen habe, angepriesen vor allem aufgrund ihrer Nachhaltigkeit. Dass junge Mädchen wohl eher selten ins Reformhaus gehen, um sich Hygieneartikel zu kaufen, auch nicht die Apotheken-Umschau lesen oder gar zur Beratung bezüglich ihrer Periode die Apotheke aufsuchen, ist einleuchtend. Für junge Mädchen ist die Periode etwas Neues, eine neue Situation, eine neue Körperfunktion, ein neues Körperbewusstsein. Auch wenn es Menstruationstassen nun auch in Drogerie-Märkten gibt, überfordert die auf den ersten Blick schwierige Handhabung, der direkte Kontakt mit dem Körper ebenso wie der direkte Kontakt mit dem Menstruationsblut. Gleichzeitig wirkt auch hier der gesellschaftliche Diskurs. Es ist peinlich, seine Tage zu haben und es gehört sich, dies so gut es geht in der Öffentlichkeit zu verbergen und am besten auch nicht drüber zu sprechen.
Warum also eigentlich nicht – fernab der kapitalistischen Gewinnmaximierung – Menstruationstassen in einem trendigen Klamottenladen im passenden Design anbieten und damit einen ungezwungenen ersten Zugang zum Thema Periode herstellen?
Beim Recherchieren über die ominöse Platzierung der Menstruationstasse bei Monki fand ich schließlich heraus, dass es sich hierbei um eine Kollaboration und eine dazugehörige Kampagne handelt. Der Kollaborationspartner ist hier der finnische und frauengeführte Menstruationstassenhersteller Lunette und die Non-Profit-Organisation The Cup Foundation. Bei der Kampagne handelt es sich um den Versuch, das Thema Periode neu zu besetzen. So heißt es auf der Internetseite der Kampagne:
«Periods are cool. We think it's time to end shame and stigma around such a normal bodily function and to start acting like people who understand that periods are a part of life. Period.»
Begleitet wird die Kampagne nicht nur durch die «limitierte supersüße pinke Lunette Menstruationskappe», bei der man noch einen kleinen supersüßen pinken «Periods are cool»-Satin-Tragebeutel sowie dazu passende Pins bekommt, sondern auch noch von drei sehenswerten Kurzfilmen, die die Handschrift der Netzaktivistin und Regisseurin Arvida Byström tragen.
Deren künstlerischen Arbeiten bewegen sich im thematischen Raum der Enttabuisierungen von Körpernormierungen, insbesondere solcher von Körperhaaren, Periode und Sexualität. Schon 2012 sorgte sie mit ihrer Fotoserie There Will Be Blood für Diskussionen. Die Fotoserie zeigte Frauen in alltäglichen Situationen, die deutlich Spuren von Menstruationsblut am Körper oder auf der Kleidung trugen, und löste damit Kontroversen aus, die Bekanntheitsgrad Byströms in der künstlerischen feministischen Szene deutlich erhöhten. Byström arbeitet viel mit typisch ‹girly› konnotierten Objekten und Farben und versucht, diese neu zu besetzen. So auch in den Kurzfilmen der Kampagne, welche durch verschiedene Rottöne dominiert werden. Die drei Kurzfilme zeigen «ehrliche und persönliche» Erfahrungen von Frauen, die die Menstruationstasse verwenden. Die drei Frauen erreichen mit ihren Social Media-Kanälen eine hohe Reichweite und tragen trotzdem das Label ‹unabhängig, kantig und feministisch›.
Ab. 3: Quelle: https://www.monki.com/we-are-monki/monki-thinks/monki-x-lunette-x-the-cup/
Die Kurzfilme zeigen die Frauen einzeln im Schlafzimmer und im Badezimme; sie wirken wie zu Hause. Die dominanten Rottöne sowie die gezeigten zart anmutenden Vagina- und Menstruationsanalogien, beispielsweise die Blume, der Faltenwurf der Satin-Decke oder der verschmierte rote Nagellack vermitteln einen feminisierten, mädchenhaften Gesamteindruck. Dies steht Im Gegensatz zu den gezeigten Frauen, die offen und selbstbewusst dargestellt werden, und kann ebenfalls als ein Versuch einer Neubesetzung von typischen Mädchenfarben und Objekten bewertet werden. Auch werden explizite Kameraeinstellungen und Perspektiven, beispielsweise auf der Toilette oder beim Waschen einer blutgefleckten Unterhose, komplementär dazu eingesetzt. Die Szenen bekommen jedoch trotzdem keinen provozierenden Charakter, sondern erzeugen das Gefühl von unmittelbarer Nähe, Vertrautheit und Authentizität angesichts der erzählten Erfahrungsberichte.
Abgerundet werden die emotionalisierten Kurzfilme mit einer Kurzvorstellung des weiteren Kollaborationspartners, der Stiftung «The Cup». Hierfür spendeten Lunette und Monki 5.000 Menstruationstassen sowie zu jeder verkauften Menstruationstasse eine weitere Menstruationstasse an die Stiftung. «The Cup» setzt sich für Aufklärungsarbeit in benachteiligten Regionen Kenias ein. Die Menstruationstassen wirken hierbei als ein unterstützendes Element des Projektes, bei der es jedoch hauptsächlich darum geht, die Scham über die Periode zu bekämpfen. Viele Mädchen sprechen aus Scham nicht von ihren Schmerzen bei der Periode oder gar von Infektionen, die durch fehlende Menstruationshygieneprodukte entstehen. Aufgrund von Mythen in Bezug auf die Periode, aber auch aufgrund von Unwissenheit über den eigenen Körper besuchen beispielsweise viele Mädchen in Kenia oft tagelang nicht die Schule und erfahren dadurch strukturelle Benachteiligung.
Schade ist, dass ich direkt im Laden keinerlei Informationen zu dieser Kampagne gefunden habe. Das kann jedoch auch daran liegen, dass die Kampagne schon seit Juli 2017 läuft und anscheinend ein voller Erfolg war. So waren lange Zeit die limitierten Menstruationstassen online ausverkauft.
Egal ob man die Menstruationstasse für sich selbst gut oder schlecht findet oder bloß einen neuen gewinnbringenden Absatzmarkt für die junge Zielgruppe wittert – beides kann die positiven Aspekte der Kampagne nicht mindern. Mädchen sollen sich nicht vor ihrem Körper ekeln oder schämen, sondern sich aktiv mit ihrem Körper auseinandersetzen.
Gleichzeitig hilft die Kampagne zu reflektieren, was eigentlich die Periode an Benachteiligungen in Ländern mit sich bringt, in denen der Zugang zu Hygiene bzw. Hygieneartikeln nur eingeschränkt vorhanden ist, und überhaupt überall dort, wo ein patriarchalisches Denksystem existiert, in dem Frauen, die ihre Menstruation haben, als unrein und schmutzig angesehen werden. Am liebsten würde ich gleich selbst 5.000 Menstruationstassen verschenken. Auch wenn es nur eine Menstruationstasse ist, kann dieses sehr nachhaltige Produkt das Leben eines Mädchens ein bisschen verbessern, und dagegen kann man nun wirklich nichts sagen
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