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Open-Media-Studies-Blog

Keine Angst vor Open Access – Ihre Bibliothek ist für Sie da!

Stephanie Herzog und Vera Butz über Open-Access-Typen aus Sicht einer wissenschaftlichen Serviceeinrichtung

9.11.2018

To publish Open Access, or not to publish Open Access – Hilfe, diese Frage zu beantworten, kann von einer für viele Studierende und Wissenschaftler_innen vielleicht unerwarteten Stelle kommen: der Bibliothek ihrer Hochschule.1 Bibliotheken sind ja dafür bekannt, Menschen und Informationen zusammenzubringen. Dass Bibliotheken auch Publikationen ›ihrer‹ Forschenden im Open Access zugänglich machen oder sie zumindest dabei unterstützen, ist dagegen ein weitgehend unbekannter Aspekt.

Wissenschaftliche Bibliotheken haben sich von Anfang an in der Open-Access-Bewegung engagiert. Das Ziel, qualitätsvolle wissenschaftliche Publikationen online frei verfügbar zu machen, entspricht ihrem Selbstverständnis als Serviceeinrichtungen für die Wissenschaft. So haben etwa viele Universitäts- und Hochschulbibliotheken eigene Repositorien für die Publikationen ihrer Forschenden eingerichtet und werben seit Langem Drittmittel ein, um Artikelbearbeitungsgebühren zu finanzieren. Die Beratung zum Elektronischen Publizieren hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten bibliothekarischen Tätigkeitsbereiche entwickelt. Über die Jahre konnten viele Bibliotheken so als Servicedienstleister für die Wissenschaft umfassende Expertise im Bereich Open-Access-Publizieren aufbauen.

Die Universitätsbibliothek Bayreuth unterstützt ihre Forschenden schon länger dabei, Open Access zu publizieren. Seit fast sieben Jahren hat sie dafür auch Gelder aus einem DFG-geförderten Publikationsfonds2 zur Verfügung, wie es ihn inzwischen an vielen deutschen Universitäten gibt und der in Bayreuth von der Bibliothek verwaltet wird. Im Laufe der Zeit haben wir festgestellt, dass auch an einer mittelgroßen Universität die Fragen und Anliegen rund um das Thema Open Access vielfältig sind: von grundlegenden Informationen für Open-Access-Anfänger_innen über die Beratung zu geeigneten Fördermöglichkeiten bis hin zu komplexen Sachverhalten wie dem Zweitveröffentlichungsrecht und der Wahl einer geeigneten Lizenz. Manchmal genügen praktische Hinweise und kurze Rückmeldungen; manchmal bedarf es aber auch einer längeren Diskussion, in der die beratenden Bibliothekar_innen die gesamte Bandbreite ihres Wissens zu Open Access einbringen können und gleichzeitig neues Wissen sowie zusätzliche Erkenntnisse zum Thema gewinnen. So wachsen wir an jeder Beratung und erhalten ein Bild davon, welche Stimmung zum Thema Open Access in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen herrscht. Und auch wenn jedes Anliegen individuell ist, kristallisierten sich im Laufe der Zeit Typen von Anfragen heraus, bei denen eine Hochschulbibliothek weiterhelfen kann.

a) Open-Access-Neulinge aus Überzeugung, Variante 1:

«Ich würde gerne OA publizieren. Welche Journals können Sie empfehlen?»

Immer wieder erreichen uns Anfragen dieser Art, meist aus den Reihen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Forschenden sind von der Idee, ihre Publikationen Open Access zugänglich zu machen, häufig sehr angetan. Oft kennen sie aber keine geeigneten Zeitschriften oder andere Publikationsplattformen, weil sie aus einem Fach kommen, in dem es noch nicht etabliert ist, Open Access zu publizieren. Hier unterstützen wir gerne, denn auch wenn wir nicht in allen Fällen auf Anhieb ein passendes Journal nennen können, so haben wir doch Erfahrungswerte, wo sich Informationen dazu finden lassen. Außerdem mehrt eine solche Beratung und Recherche auch unser Wissen über den Open-Access-Publikationsmarkt.

b) Open-Access-Neulinge aus Überzeugung, Variante 2:

«Ich würde gerne OA publizieren und habe dafür auch schon eine Zeitschrift gefunden, die ganz gut klingt. Meinen Artikel habe ich da mal eingereicht. Wie geht es weiter?»

Manchmal kümmern sich Nachwuchswissenschaftler_innen selbst darum, eine passende Zeitschrift zu finden. Sie reichen dort ihren Artikel ein und bitten darum, dass die Finanzierung der Artikelbearbeitungsgebühren (article processing charges [APCs]) aus unserem Open-Access-Publikationsfonds übernommen wird. Im Zuge dessen erreichen uns hin und wieder Berichte, dass sie ein Journal gefunden hätten, das sehr gut zum Thema des Artikels passen würde und bei dem die Gebühren für die Veröffentlichung auch noch sehr günstig seien. Oft fanden wir bei einer genaueren Überprüfung der Zeitschrift jedoch heraus, dass diese aus dem Bereich der predatory journals stammt. Dabei handelt es sich um Verlage, deren Daseinszweck in erster Linie darin besteht, einen möglichst hohen Betrag an (Förder-)Geldern ‹abzugreifen› – letztlich zur Bereicherung derjenigen, die die entsprechende Plattform betreiben. Um die Anzahl der Veröffentlichungen zu maximieren, findet in der Regel kein ‹ordentliches› Peer-Review-Verfahren statt. Außerdem werden häufig falsche Angaben darüber gemacht, welche allgemein anerkannten Fachdatenbanken die Artikel der betreffenden Zeitschrift indexieren. Manchmal werden auch Mit-Herausgeber_innen genannt, die davon gar nichts wissen, um dem Publikationsorgan einen seriösen Anstrich zu verleihen.3 Wir geben in diesen Fällen unsere Einschätzung weiter. Unsere Hinweise zum predatory publishing und darauf, unbekannte Verlage künftig noch genauer auf ihre Seriosität hin zu überprüfen4 , wurden von den betreffenden Forscher_innen bisher durchwegs positiv aufgenommen.5

c) Open-Access-Neulinge, wenn sich die Gelegenheit bietet:

«Mein Artikel wurde von einer Zeitschrift akzeptiert und ich kann ihn da auch gegen eine Gebühr Open Access publizieren. Da gibt es doch diesen Fonds, über den ich das bezahlen lassen kann…»

Mit diesem Anliegen melden sich häufig Professor_innen und Promovierende aus Fächern, in denen Open Access schon bekannt ist. Leider müssen wir sie enttäuschen. Viele Verlage offerieren bereits im letter of acceptance für einen Artikel, dass man diesen gegen Zahlung einer Gebühr auch Open Access verfügbar machen könne, auch wenn sich das betreffende Journal klassisch über Subskriptionsgebühren finanziert. Spätestens hier erinnern sich viele Forschende daran, dass es an der Universität Bayreuth einen DFG-geförderten Fonds gibt, über den APCs finanziert werden können. Leider ist die in diesem Fall gewählte Form des Open Access – auch ‹hybrider Weg›6 genannt – aus dem Fonds nicht förderfähig. Der Wunsch der Publizierenden, das Renommee eines in der Regel etablierten Journals mit den noch besseren Verbreitungsmöglichkeiten des Open Access zu kombinieren, ist natürlich auch für uns nachvollziehbar. Allerdings stellt sich hier für uns Bibliothekar_innen die übergeordnete Frage: «Wieviel darf Information kosten?» Denn fair ist es nicht, wenn sich Verlage Inhalte doppelt aus öffentlichen Geldern bezahlen lassen: einmal über die Kosten für das Abonnement der Zeitschrift und dann noch einmal über Open-Access-Gebühren.7

d) Gelegentlich Open-Access Publizierende aus Gründen der Reputation:

«Ich habe einen Artikel in einer renommierten Open-Access Zeitschrift untergebracht, in der man nur äußerst schwer angenommen wird. Die Veröffentlichung kostet 4.000 Euro. Kann das aus dem Fonds gezahlt werden?»

Hier ernten wir oft die größte Enttäuschung von Forschenden, die gelegentlich Open Access publizieren. Sie überlegen sich nämlich sehr genau, welches Thema Open Access in welchem Journal platziert werden kann und bei welchem lieber das etablierte Subskriptionsjournal gewählt wird – auch wenn man dadurch eventuell auf die möglichst weite Verbreitung des betreffenden Artikels verzichtet. In der Regel melden sich die Forschenden selbst bei uns, weil ihnen die Artikel sehr wichtig sind. Oft haben sie bereits APCs für andere Publikationen in dieser Größenordnung schon (mehrmals) aus eigenen (Förder-)Mitteln finanziert. Daher würden sie gerne auf den Publikationsfonds der Universität zurückgreifen. Dennoch müssen wir auch hier ablehnen, da die DFG eine Fördergrenze von maximal 2.000 Euro pro Artikel festgelegt hat. Wieder geht es letztlich um die Frage nach den Kosten für wissenschaftliche Inhalte. Als Bibliothekar_innen sind wir der Meinung, dass es nicht der richtige Ansatz sein kann, Open-Access-Journals für den sogenannten ‹goldenen Weg›8 auf den Markt zu bringen, bei denen die Gebühren für die Veröffentlichung eines einzigen Artikels höher sind als die jährlichen Kosten für so manche renommierte Zeitschrift, die sich ‹klassisch› über Abonnements finanziert.

e) Gelegentlich Open-Access-Publizierende, die lieber auf Nummer sicher gehen wollen:

«Ja, ich habe schon Open-Access-Artikel publiziert, aber bei wichtigen Artikeln wende ich mich schon erstmal an die renommierteren Zeitschriften.»

Eine Gruppe, die Open Access bei als nicht ganz so wichtig empfundenen Artikeln in Betracht zieht; die wirklich bedeutenden Ergebnisse bringen diese Forschenden lieber in klassischen Journals unter, weil in ihren Fächern Open Access noch kein entsprechendes Renommee besitzt. Diese Argumentation ist eine echte Herausforderung für Bibliothekar_innen. Wir nehmen diese aber gerne an und nutzen unser gesammeltes Wissen über den Publikationsmarkt, um Alternativen aus dem Open-Access-Bereich aufzuzeigen, die die Wissenschaftler_innen in Betracht ziehen könnten. Unsere Vorschläge können vielleicht im direkten Vergleich nicht immer überzeugen. Unser Hinweis, dass Open-Access-Veröffentlichungen weltweit eine größere Sichtbarkeit und damit Wahrnehmung erzielen, veranlasst aber viele dieser Forschenden dazu, ihre Artikel als Zweitveröffentlichung beziehungsweise Vorversion zu veröffentlichen zum Beispiel auf dem eigenen institutionellen Repositorium oder einem Fachrepositorium.9 Viele ‹klassische› Verlage räumen Autor_innen diese Möglichkeit inzwischen unter bestimmten Bedingungen vertraglich ein.

f) Open-Access-Routiniers:

«Ich habe mal wieder einen Artikel in XX eingereicht, der angenommen wurde. Im Anhang finden Sie die Rechnung.»

Hierbei handelt es sich um meist Professor_innen und/oder schon lange in der Wissenschaft Tätige, in einem Fach, in dem der Open-Access-Gedanke gut etabliert ist. Sie publizieren zum großen Teil Open-Access, haben einen guten Überblick, welche Journals für ihre Artikel in Frage kommen, und sind mit unseren Förderbedingungen bestens vertraut. Von ihnen lernen wir häufig Neues zum Thema Open Access, da sie in Gesprächen etwa Einblicke in ihre Tätigkeit als reviewers für ein Journal geben. Oder wir erfahren, dass sie planen, bei der Gründung einer Open-Access-Zeitschrift mitzuwirken. Wir können Routiniers unsererseits auf die neuesten Services der Universitätsbibliothek rund um Open Access sowie die aktuellsten Entwicklungen auf der (wissenschafts-)politischen Ebene informieren, die den Forschenden vielleicht nur am Rande oder noch nicht bekannt sind.10

g) Open-Access-Gegner_innen:

«Ich habe sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Die meisten Open-Access-Zeitschriften nehmen jeden Artikel und prüfen nicht richtig.»

Solche und ähnliche Äußerungen erreichen uns oft aus Fächern, in denen es bereits relativ etabliert ist, Forschungsergebnisse Open Access zu publizieren. Ja, es gibt schwarze Schafe unter den Open-Access-Plattformen, die hohe Gebühren für die Qualitätskontrolle verlangen und bei denen dann doch wissenschaftlich fragwürdige Artikel veröffentlicht werden. Allerdings besteht diese Problematik auch bei etablierten Zeitschriften des klassischen Subskriptionsmodells. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es nicht generell transparenterer Verfahren für die Beurteilung und Auswahl von Artikeln bedarf, um allgemein eine hohe Qualität im wissenschaftlichen Publikationswesen zu gewährleisten. Nähere Informationen zum Thema Open Peer Review finden sich im Beitrag von Adelheid Heftberger. Auch in diesem Bereich behalten Bibliothekar_innen die aktuellen Entwicklungen im Auge, wie etwa die eingetragene Marke Interactive Public Peer Review von Copernicus Publishing, die exemplarisch für die Etablierung neuer Mechanismen der Qualitätssicherung im wissenschaftlichen Publikationswesen steht. Vorerst liefert das Directory of Open Access Journals (DOAJ) den umfassendsten Überblick über qualitätsvolle Open-Access-Zeitschriften.11

h) Open-Access-Skeptiker_innen:

«Für mein Gebiet gibt es keine passende Open-Access-Zeitschrift.« Oder: »Ohne diese Zeitschriften geht es in meinem Fach nicht. Jede Uni hat sie, daher brauche ich keine Open-Access-Alternative.»

Dies sind an ganz unterschiedlichen Stellen in der Wissenschaft Tätige, die einfach keinen Bedarf sehen, Open Access zu publizieren, oder für die es wirklich noch kein interessantes Angebot gibt. Das kann sich aber ändern, da sich der Bereich des digitalen Publizierens beständig weiterentwickelt. So bieten bereits viele Universitätsbibliotheken die auf der gleichnamigen Software basierende Zeitschriften-Plattform Open Journal Systems12 an, mit deren Hilfe die Forschenden eigene Open-Access-Zeitschriften über eine komfortable Bedienoberfläche selbst herausgeben können. Manchmal ändern auch Verlage das Geschäftsmodell für einzelne Zeitschriften und eine Subskriptionszeitschrift wird zur Open-Access-Zeitschrift. So gibt es zum Beispiel derzeit nationale Bestrebungen, ganze Zeitschriften-Portfolios von Großverlagen wie Springer und Elsevier landesweit zu lizensieren, so dass die Angehörigen aller deutschen Wissenschaftseinrichtungen Zugang dazu haben (Projekt DEAL). Wesentlicher Teil dieser Verhandlungen ist eine sogenannte Open-Access-Komponente. Diese sieht vor, dass Artikel von Autor_innen aus deutschen Einrichtungen in den betroffenen Zeitschriften automatisch Open Access publiziert werden. Die verhandlungsführenden Vertreter_innen aus der Wissenschaft erhoffen sich davon, dass sich etablierte Journals des klassischen Subskriptionsmodells hin zu Open-Access-Journals entwickeln. Derzeit sind Informationen zum Verhandlungsstand bei DEAL bisweilen Teil unserer Beratungsgespräche zum Open-Access-Publizieren.

Beratung für verschiedene Open-Access-Typen

Die für den Bereich Open Access konstitutive Dynamik wird auch zukünftig immer wieder neue Möglichkeiten hervorbringen, wie wissenschaftliche Veröffentlichungen online frei zugänglich und dennoch qualitätsvoll publiziert werden können. Wir Bibliothekar_innen freuen uns, die Forschenden weiter in Sachen Open-Access-Publizieren zu unterstützen und vielleicht einige Skeptiker_innen und Gegner_innen zu Überzeugungstäter_innen werden zu lassen.

Bevorzugte Zitationsweise

Herzog, Stephanie; Butz, Vera: Keine Angst vor Open Access – Ihre Bibliothek ist für Sie da!. Stephanie Herzog und Vera Butz über Open-Access-Typen aus Sicht einer wissenschaftlichen Serviceeinrichtung. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/keine-angst-vor-open-access-ihre-bibliothek-ist-fuer-sie-da.

Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.