Identitätspolitik, Notwehr und Aneignung – z.B. im Beyoncé-Seminar
von Ulrike Bergermann
Es war eine schöne Zeit, als der Autor tot war. Lesen ohne die Linse des Verfassers, Abschaffung des Genius als Ursprungsmythos, Fokus auf andere Zusammenhänge als den menschlichen Knoten im Netz, der nur noch einer von vielen Agenten im Zustandekommen eines Textes oder Bildes war. Aus der Utopie vertrieben sind all die DekonstruktivistInnen, die sich auf eine Art repolitisieren müssen, die überwunden schien: Wenn die auktorialen Subjekte diskriminiert werden, hilft es irgendwann nicht mehr, auf die Relativität von Autorschaft zu verweisen.
Inwieweit das jeweils für die diversen Claims gilt, die in letzter Zeit von verschiedenen identitätspolitischen Positionen aus beansprucht werden, wäre im Einzelnen zu diskutieren. Aktuelle Beispiele: Der Einspruch gegen die Kommerzialisierung indigener Muster und Objekte in der Modebranche (der Nunavut oder von B. Yellowtail), die Kritik an der Innenohrprothese Cochlear Implantat durch die sog. Deaf Nation, oder die Empörung über ein Butler-Interview über Gewalt gegen Transgender mit dem Argument, durch eine nichtschwarze transgender person wäre ein solches Sprechen eine Enteignung... All diese Positionen folgen nicht Spivaks «strategischem Essentialismus», sondern berufen sich auf glasklare Identitätspolitiken. Wie steht es um Schwarze Autorinnen rund um Beyoncé?
An der Rutgers University (New Brunswick/NJ, USA) unterrichtet Kevin Allred seit Jahren einen Kurs namens «Politicizing Beyoncé», der die verschiedenen Aspekte dieser pokulturellen Matrix nach race, sexuality, gender etc. aufdröselt, die Popikone als Aufhänger nimmt und ausschließlich Literatur Schwarzer Autorinnen verwendet. Schon in seiner Dissertation, erzählte Allred dem Guardian, habe er ständig kritische Einwände zu hören bekommen, die nach den weißen Autoren fragten (wo ist Foucault, wo ist Deleuze?). Nun sind Kurse mit Schwarzen Autorinnen nicht unbedingt besser. Aber dass man die Frage überhaupt stellt, die bei weißen Autoren nie gestellt wird, ist auf jeden Fall schlechter und verleiht dem Programm des Gegen-den-Kanon-Lesens seine Notwendigkeit. Dass der beliebte Kurs jetzt im nächsten Semester nicht mehr ins Curriculum aufgenommen wurde, vielleicht weil er zu viele Studierende von anderen Kursen abzog, hat einen Aufschrei verursacht. Da der zuständige Dekan keine Auskünfte gibt, wird spekuliert, ob das Beispielmaterial für unwürdig erachtet wurde, ob eine Diskriminierung Schwarzer Autorinnen dahinter zu vermuten wäre oder ob strategisch einfach nicht die richtigen Codes adressiert worden seien:
«Evelyn Simian, a professor at the University of Connecticut’s department of political science and institute for Africana studies, is all too aware of the issues attached to black feminism in the academic landscape. ‹You often need to speak their language. It’s called code-switching›, she said. ‹If you’re going to introduce a marginalized topic or something that’s considered ‘easy’, how do you then make it more rigorous to that very audience that you’re receiving pushback from? Sometimes, you have to learn to use the master’s tools.›» (Guardian)
Letzteres widerspricht also der berühmten Fomel bell hooks', derzufolge «the master's tool will never dismantle the master's house» (schließt man Schwarze ForscherInnen in die tools ein, so gibt es nun immerhin ein paar im Haus). Oder schlichter, so Brittany Cooper: «It turns out that, structurally, we don’t take very many black women seriously in university curriculum. Period.» Nun ist Politicizing Beyoncé in einen anderen Studiengang verschoben.
Es war eine schöne Utopie zu denken, es ginge um die tools und nicht in erster Linie darum, wer sie in die Hand bekommt. Dumm, dass die Teilhabe dieser Hände immer noch so ungleich geregelt ist.
Foto: bell hooks, von Rainer Ebert, Lizenz: Creative Commons 2.0.
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