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GAAAP_ The Blog

BUNS. Instrumente haariger Biopolitik

von Ulrike Bergermann

15.11.2015

Nun kann man sie kaufen, die MAN BUNs. Was seit Wochen Feuilleton-Debatten entzündet, eine neue Hipster-Haarmode, erregt sich weder an einer Feminisierung noch ein einer möglichen Pornofizierung des Männerkörpers. Man diskutiert vielmehr eine Körperpolitik der Hipster, die durch den BUN einen sehr kurzen Abgrenzungsvorsprung gegenüber Hipsterkopien aufrechtzuerhalten suchen; vergleicht die Benennungspolitiken «bro bun», «hipster bun», «mun” oder «dude bun» oder auch «pony bun, black bun, son bun» (inklusive Anleitung, mit einem Austausch von Betroffenen in den Kommentaren), oder fragt, welcher Star den Hype ausgelöst habe. Die Träger sind weiße Hipster in der Natur; als echte Männer haben sie viel Bart und Muskeln unter ihrem BUN, sind erfolgreich und verheiratet. Siehe auch Putin, Obama, Trump etc.: If politicians had men buns.

Aber nun kann man das Haarteil kaufen. Der Instant-man-bun wird für nur 9,99 $ gleich mit einer ironischen Lifestylereading-Anordnung ausgeliefert: Aufsetzen beim Fair Trade-Kaffee, Absetzen bei inkorrekter (Schwarzer) Adressierung, kein Tier oder Mensch kam bei der Herstellung zu Schaden etc.: Der Clip in man bun. Hier die Beschreibung:

«One of the hottest trends in men’s fashion, the man bun has been popularized by fixed-gear bicyclists and introspective Hollywood actors alike. But although the hairstyle oozes with fashion sense, those who sport it might find themselves outcasts in sports bars, motorcycle gangs, and the annual government-mandated machismo test. This attachable—and, equally important, detachable—man bun lets you blend in with your surroundings, putting it on when you smell fair-trade coffee or hear a banjo, and taking it off when someone utters the word bro.

How To Wear It

  1. Comb your hair back toward the crown of your head, in a similar motion to lacquering a reclaimed-wood coffee table
  2. Attach the man bun to your natural hair the way the lay public attached itself to Arcade Fire
  3. Use bobby pins to secure the man bun, decide bobby pins are too mainstream, use antique paper clips instead
  • Attachable hairpiece
  • Made of artificial hair
  • Product dimensions: 3” (dia) x 1” (H)»

Limited time remaining! Over 5,000 bought.
(Auch mit Extension tragbar.)

«Stop hating on the Man Bun- and the Clip-in Man Bun», bittet daraufhin Chris Hearn (11.11.2015); von einer «Clip-in man bun panic» spricht Salon (10.11.15): Die Aufregung beruhe eigentlich auf der Scham des Haarverlusts - und auf der Tatsache, dass sonst nur Dinge für Frauen als abweichend von der Norm eigens benannt würden. Schon eine Benennung kann die Norm erschüttern? Was ersetzbar ist, verliert sogar seine Natürlichkeit, die Vorgängigkeit gegenüber seiner Kopie?

Einen Strap-on können wir seit Beatriz Preciados Kontrasexuellem Manifest (b_books 2013) als ein Instrument lesen, das die Natürlichkeit dessen, was er zu kopieren scheint, in Frage stellt: «Ein Penis ist einfach ein Bio-Dildo, der mit der Autorität des Natürlichen ausgestattet wurde.» (Preciado in Proletarier des Anus, Interview mit Timm Stüttgen in Jungle World). 

Derridas Grammatologie sagte über das «gefährliche Supplement»: «Es gesellt sich nur bei, um zu ersetzen. Es kommt hinzu oder setzt sich unmerklich an-(die)-Stelle-von; wenn es ausfüllt, dann so, wie wenn man eine Leere füllt. Wenn es repräsentiert und Bild wird, dann wird es Bild durch das vorangegangene Fehlen einer Präsenz.» Preciado nimmt den Dildo als paradigmatisches Beispiel für das Supplement, sie «identifiziert den Dildo als Supplement, der produziert, was er vervollständigt» (Kontrasexuelles Manifest, S. 12).

Und was passiert, wenn man die ganze Phallus- und Kastrationsernsthaftigkeit verlässt und auf ein Haarteil übergeht? Lesen Sie BUN an der Stelle von DILDO:

«In der ersten Reflexionsphase besitzt der Dildo noch die formellen und/oder materiellen Eigenschaften seines normativen Referenten – des Penis –, dieselbe Form, dieselbe Farbe und dieselbe Textur. Der Dildo erscheint als ein künstliches Substitut des Penis. Und dennoch hat das Verfahren des Schnitts einen Dekonstruktionsprozess ausgelöst. Der Dildo erscheint als exakte Nachahmung des Penis, bleibt aber vom männlichen Körper abgetrennt. Diese grobe Imitation, diese skulpturale Reproduktion des Penis macht die Mechanismen, mit denen Original und Kopie zusammenwirken, sichtbar. Sie zeigt, dass der Begriff ‹Dildo›, der sozusagen eine ursprüngliche Realität repräsentiert, retroaktiv den ursprünglichen Penis hervorbringt. Der Dildo geht dem Penis voraus.» (Kontrasexuelles Manifest, S. 61)

Wenn Ihr Ersetzungsverfahren sinnvolle Sätze hervorgebracht hat, sollten Sie BUNs erwerben und verschenken. Sie machen die Welt schöner.

Bildquelle: Groupon, Clip in man bun, https://www.groupon.com/deals/gg-instant-man-bun

PS, Dezember 2015: wo is casually adjusting his man bun? http://thehardtimes.net/2015/12/29/polyamorous-guy-brought-ukulele-party-explains-feminism-young-women/

The New Yorker cartoon

Bevorzugte Zitationsweise

Bergermann, Ulrike: BUNS. Instrumente haariger Biopolitik. von Ulrike Bergermann. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, GAAAP_ The Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/buns-instrumente-haariger-biopolitik.

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