Gender-Pricing: Kugelschreiber Unisex
von Ulrike Bergermann
Was ist «Gender Pricing»?
Im Dezember 2015 ließ der Bürgermeister New York Citys, Bill de Blasio, eine umfangreiche Studie mit dem Titel «From Cradle to Cane: The Cost of Being a Female Consumer. A Study of Gender Pricing in New York City» (New York City Department of Consumer Affairs, Commissioner: Julie Menin, Autorin: Anna Bessendorf, Policy Analyst, Herausgeberin: Shira Gans, Senior Policy Director) veröffentlichen. Die sorgfältige Untersuchung legt zunächst ihre Methoden dar; die Motivation der Studie lautet:
«The New York City Department of Consumer Affairs (DCA) is responsible for maintaining a fair and vibrant marketplace. To this end, DCA conducted a first-ever study of the gender pricing of goods in New York City across multiple industries. The industries studied for this report include: toys and accessories, children’s clothing, adult clothing, personal care products, and home health care products for seniors. This study reflects an average consumer lifecycle, from baby to senior products, providing a glimpse into the experiences of consumers of all ages. The Agency compared nearly 800 products with clear male and female versions from more than 90 brands sold at two dozen New York City retailers, both online and in stores.»
Das Ergebnis überrascht Sie nun sicher nicht, denn wäre es anders, so würden wir jetzt nicht davon lesen:
«In all but five of the 35 product categories analyzed, products for female consumers were priced higher than those for male consumers. Across the sample, DCA found that women’s products cost more 42 percent of the time while men’s products cost more 18 percent of the time.»
Die Pressemitteilung fasst zusammen, im Lauf eines Lebens zahle eine weibliche Konsumentin 7% mehr als ein männlicher Käufer und ingesamt mehrere tausend Dollar für alle ihre Ausgaben. Insofern ist es langweilig. Was können wir schon daraus lernen? Die Industrie ist doof. Die bloße Verpackung soll möglichst viel Geld für den gleichen Inhalt erwirtschaften. Es ist allerdings schon reichlich absurd, was ganz offensichtlich auch nach dem System eines Gender pricing öffentlich beworben wird. Dass Mode und Kosmetik mehr kostet, kann ebenfalls nicht überraschen (warum es allerdings nicht überrascht, wäre wiederum eine weitere Untersuchung wert). Die gleichen T-Shirts allerdings für Kinder erstaunen:
- und hierbei handelt es sich nicht um Ausnahmen, sondern die statistische Regel. Noch absurder sind die Preisunterschiede für identische Rasierklingen in Rasierapparaten von Männern und Frauen, in Packungen von Windeln bei Inkontinenz oder weiteren Gesundheitsprodukten wie Stützstrümpfen (um auch die Kategorie ‹Alter› miteinzubeziehen: hier hört das geschlechtsspezifische Vermarkten keinsfalls auf). Im Laufe eines Lebens würde eine Frau in NYC also mehrere tausend Dollar mehr ausgeben als ein Mann, der die gleichen Dinge (in anderen Verpackungen) erwirbt. Hinzu kommt ja der Gender Pay Gap (Commissioner Menin: Pro einem Dollar, den ein Mann verdient, verdient eine Frau 79 Cent). Bekannt ist das Prinzip auch unter dem Namen «Gender tax»:
Schon 1994 hieß es für den Bundesstaat Kalifornien, eine Frau gebe dort im Jahr 1.351 Dollar mehr aus als ein Mann. Andere Studien belegten, dass weibliche Käufer für das gleiche Auto mehr bezahlten als männliche. Und wieder geht es nicht nur um gender: Die Kette Target hatte schon ein Jahr vor dieser Studie einen Wirbel verursacht, als sie eine schwarze Barbie zum doppelten Preis einer weißen Barbie verkaufte.
Zwei Tage vor Weihnachten empfahl die Washington Post daher: Why you should always buy the men’s version of almost anything (Danielle Paquette) und berichtete, dass im Jahr 2015 129 Verstöße gegen das Verbot von Gender pricing verfolgt wurden (nach 118 im Jahr 2014).
- Nachtrag: Die britische Kette Boots muss im Februar 2016 die Preise für Rasierer für Frauen denen für Männer angleichen (Rebecca Smithers, Boots revises cost of two products over accusations of sexist pricing, in: The Guardian, 3.2.16); und: Even on eBay, women get paid less for their labor, John Bohannon, Science, 19.2.2016. - Aber dagegen ist eine App gewachsen: Finally, An App That Splits The Bill So That White Men Pay More, Zeba Baly, 1.3.2016.
Bei einer eigenen spontanen Internetrecheche ergaben sich auf den ersten Blick zwar Absurditäten, aber keine signifikanten Preisgefälle: Lego bietet zwar Sets an, deren Personal eindeutig gegendert ist, stellt aber für den Schönheitssalon oder die Feuerwehr immerhin gleich viel in Rechnung. Die Roller, die man bei Otto unter dem Namen «Girls» oder «Barbie» erwerben kann, sind vielleicht besonders rosa, jedoch nicht signifkant teurer. Alpecin bietet Shampoos extra für die weibliche Kopfhaut an - so kosten 250 ml Plantur 39 gegen «hormonbedingte Erschöpfung» 8,99 Euro, aber die Packung ist gleich grün wie die ohne den Hormonhinweis.
Bevor die Recherche akribischer wird, lande ich beim «Kugelschreiber Unisex» und dem «Kugelschreiber frau».
Die Produktbeschreibung des italienischen Händlers wird automatisch übersetzt und soll hier das letzte Wort haben: «Frauen Kugelschreiber ist ein opjekt das man immer gebrauchen kann.Und heute so hergestellt wird das es ein modestück ist.Mit viel fantasie,glittzer aber auch design werden Sie überraschen!Die Frauen kugelschreiber sind in erster line praktisch und einzigartig und somit gut als geschenk geeignet.Sie können bei GioiaPura.it Viele Frauen Kugelschreiber finden.Die besten Marken Für Frauen kugelschreiber warten auf Sie auch mit preis nachlas und angeboten jeden tag.Die schreiber für die Frauen können Kugelschreiber sein oder auch füllfederhalter.Der schreiber kann einen druckknopf haben oderauch die eleganten wie die schreiber von Ersten Klasse bei Alviero Martini.Oder der kugelschreiber für die Frau Klassisch,aus Stahl einfarbig oder zweifarbigwie die von Morellato. Frauen Kugelschreiber sind ein perfektes zubehör für alle Frauen die nchts in ihrer tasche Fehlen lassen wollen.Entdecke den katalog Frauen kugelschreiber online bei GioiaPura.it»
Das allerletzte Wort gebührt Ellen, die schon 2012 den Bic Pen for Women treffend moderierte!
PS: Noch ein Kostenfaktor: Es scheint eher in den Bereich von Carolin Kebekus' Pussyterror-Comedy zu gehören als den Blog einer wissenschaftlichen Zeitschrift, dass nicht nur die Kosten für sog. «Damenhygiene» oder Empfängnisverhütung in unserer Gesellschaft nicht von der Reproduktionsgemeinschaft, sondern einer ihrer Hälften getragen werden, von den alleinerziehenden Müttern ganz zu schweigen, den mehreren zehntausend Vätern in Deutschland, die keinen Unterhalt zahlen (Panorama sprach 2013 von «zehntausenden», die genaue Zahl scheint ein Staatsgeheimnis zu sein), undsoweiter. Dass das wie Comedy klingt, aber keine ist, ist eher Terror für Pussys. Hormonbedingt erschöpfend.
PS 2, 25.1.2016, USA: «CBS News went undercover with one female producer and one male producer visiting a handful of dry cleaners in New York City. They brought nearly-identical, 100 percent cotton button down shirts in comparable sizes and requested the same service. Our female producer was charged at least twice as much in more than half the businesses visited. In one, she was charged $7.50 while her male counterpart just $2.85. At another, she paid $3 dollars more.» CBS News goes undercover to reveal gender price discrimination
PS 3, Oktober 2016: Eine Ausschreibung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes lobt die Finanzierung für die Durchführung einer Studie zum Thema «Gender Pricing in Deutschland» aus (im Wege einer Öffentlichen Ausschreibung), die Unterlagen dazu sind bis zum 14.11.2016 anzufordern beim
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben , Zentrale Vergabestelle des BMFSFJ , Monika Claßen-Sielaff , Sibille-Hartmann-Str. 2-8 , 50969 Köln , schriftlich, per Fax (0221 – 36 73 46 64) oder per E-Mail an zentrale-beschaffung@bafza.bund.de. Untersucht werden 500 Produkte sowie Dienstleistungen. Pro Studie stehen maximal 90.000 Euro zur Verfügung. Wir sind gespannt.
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