Direkt zum Inhalt
Open-Media-Studies-Blog

Ein Open-Access-Repositorium aufbauen und einrichten

Ein Erfahrungsbericht von Dietmar Kammerer

11.7.2018

Seit September 2014 betreibe ich das Wordpress-Blog filmwissenschaft.umsonst (FWU), das Links auf im Netz frei zugängliche, deutschsprachige Publikationen der Film- und Medienwissenschaft sammelt. Grund für das Projekt war ein Missverhältnis: Zwar waren zahlreiche medienwissenschaftliche Quellen online zugänglich, eine brauchbare Übersicht war damals aber nicht vorhanden (und ist es heute auch noch nicht). Der viel umfassendere Blog Film Studies for free von Catherine Grant, der mich auf die Idee brachte, verweist vor allem auf englischsprachige Titel. In Anlehnung an Catherines Projekt ist auch der Titel des Blogs gewählt. Dass ich «for free» mit «umsonst» (statt genauer mit: «frei, ohne Beschränkungen zugänglich oder verfügbar») übersetzt habe, ist reines Clickbaiting: Gratis-Angebote ziehen immer. Inhaltlich ist es natürlich irreführend, und ich bekenne hiermit, dass durch den Titel ein weit verbreiteter Irrtum vermutlich noch verstärkt wird: «Open Access» ist  nicht gratis, sondern grundsätzlich mit Kosten verbunden. Diese Kosten (für das Personal, die Server, die Konfigurationen und Anpassungen der Software und anderes mehr) tragen freilich nicht die Leser_innen, sondern die anbietende Seite: Autor_innen, Bibliotheken, Repositorien.1

Schnell wurde klar, dass der Blog nicht nur film-, sondern auch medienwissenschaftliche Quellen umfassen würde. Aber was sind «frei verfügbare» Titel? Und wie wird ausgewählt? Ein paar Leitlinien:

  1. FWU nimmt nur Quellen auf, bei denen anzunehmen ist, dass die Autor_innen mit der Publikation im Netz einverstanden sind. Titel aus Shadow Libraries oder aus kuratierten Projekten wie monoskop.org (die ohnehin vor allem englischsprachige Titel vorhalten) sind daher nicht auf FWU zu finden.
  2. Berücksichtigt werden nur Quellen, die ohne Zugangskontrolle erreichbar sind. Damit fallen kommerzielle Plattformen wie academia.edu oder ResearchGate weg.
  3. Aktualität ist kein Kriterium. Ich stelle auf FWU, was ich finde, unabhängig davon, wie lange oder frisch die Quelle online verfügbar ist.
  4. Es geht primär um wissenschaftliche Texte (oder Videos), aufgenommen werden aber auch Verweise auf historisches Material.

Entlang dieser selbst gewählten Leitlinien sind auf dem Blog aktuell mehr als 200 Beiträge zu finden. Dazu kommen Linklisten zu Autor_innen, Zeitschriften, Repositorien, Informationen zu Open Access u.a. mehr. Eine eigene Seite sammelt Verweise auf Open-Access-Bücher, zur Zeit sind dort 183 Titel gelistet. Was fehlt? Vor allem die Zeit, diese Listen immer aktuell zu halten oder alle Zeitschriften regelmäßig auf Neuerscheinungen zu überprüfen. Seit Start des Projekts, so erzählt es das Statistik-Plugin, sind über 11.000 Zugriffe auf den Blog erfolgt, von 6.400 Besucher_innen. Die meisten Zugriffe erfolgen wenig überraschend aus Deutschland. Auf Platz 2 liegen allerdings die USA – vermutlich werden hier Google-Suchanfragen mitgezählt (Österreich und die Schweiz liegen auf Platz 3 und 4).

Dank der detaillierten Datenauswertung weiß ich auch, dass die meisten Zugriffe dienstags gegen 16 Uhr erfolgen, wie viele Follower das Blog hat (es könnten mehr sein), auf welchen Post bislang die meisten Zugriffe erfolgt sind und auf welchen die wenigsten.

Neben Statistik-Spielereien bietet WordPress weitere Funktionen an, wie Volltextsuche, Schlagworte oder die Einbindung von Videos. Freilich stellt ein (an Aktualität orientiertes) Blog-Tool keinen Ersatz für einen (an Ressourcen orientierten) Katalog oder eine Datenbank von Texten dar. Dafür gibt es hoch spezialisierte Repositorien-Software wie MyCoRe, EPrints, Fedora oder OPUS.

Für das DFG-geförderte Fachrepositorium der Medienwissenschaft media/rep/, welches an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt ist und bei dem ich im September 2017 die Koordination übernommen habe (Malte Hagener hat die Leitung), wurde uns von Bibliothekar_innen und Informatiker_innen, die sich damit besser auskennen als wir, DSpace empfohlen. Die wichtigsten Funktionen eines Repositoriums sind: Langzeitsicherung und Archivierung der digitalen Ressourcen; ihre Durchsuchbarkeit im Volltext; Anreicherung der Ressourcen mit Metadaten; Erhöhung ihrer Auffindbarkeit und Sichtbarkeit (durch Vernetzung mit anderen Repositorien oder Katalogen); die Vergabe von stabilen und eindeutigen Identifiern.

Erste Lektion in Sachen Open Science: Es geht nicht alleine. Die Vernetzung und Offenheit, die durch OS erreicht werden soll, ist schon deren Voraussetzung. DSpace ist nicht in Deutschland, aber international die am meisten verbreitete (und daher zukunftssichere) Software für Open-Access-Repositorien und erfüllt alle gängigen Standards, Normen und Anforderungen. Das Problem dabei: Es gibt genau deswegen so unübersichtlich viele Standards, Normen und Anforderungen, weil alle ihre eigenen für die jeweils beste Lösung halten. Oder, als Bonmot: Standards sind wie Zahnbürsten. Jeder hält sie für eine gute Idee, aber keiner will die des anderen benutzen.2

Zweite Lektion in Sachen Open Science: Offenheit heißt, im Zweifelsfall offen zu sein für die Vorschläge der Anderen und Standards und Vorgaben auch dann zu akzeptieren, wenn man es gerne selbst irgendwie anders und vorgeblich ‹besser› machen würde.

Vor allem aber heißt die Arbeit am Repositorium, an vielen Fäden zugleich (und möglichst in der richtigen Reihenfolge) zu ziehen: Will mensch eine Entscheidung bezüglich des User Interface treffen, muss unter Umständen der Workflow und die Erfassung der Metadaten angepasst werden, was sich auf Fragen des «Harvesting» (der automatisierte Datenaustausch unter Repositorien) auswirken kann, was wiederum Fragen der Konfiguration und Anpassung der DSpace-Software betrifft – und so weiter. Technik, Organisation, Workflows, Recht, Design, Datenstrukturen: Alles kann sich miteinander verbandeln und ineinander verhaken.

Bis zum geplanten Beta-Start von media/rep/ auf der GfM-Jahrestagung in Siegen müssen noch zahlreiche Fragen geklärt, Knoten aufgelöst und neue Verbindungen hergestellt werden. Nicht alles, was das Repositorium einmal sein und leisten soll, wird zu diesem Zeitpunkt schon umgesetzt sein. So werden wir uns erst ab Herbst diesen Jahres mit der Erwerbung, Einbindung und Darstellung von audiovisuellen Ressourcen (Videoessays, Lectures, Podcasts) im Detail beschäftigen können. Zudem gibt es eine lange Wunschliste von Funktionen oder Instrumenten, die wir Nutzer_innen gerne anbieten würden, für die aktuell aber noch gar nicht absehbar ist, ob oder wie eine Umsetzung im gegebenen Rahmen machbar ist. So gibt es beispielsweise keine Standardlösung, um dynamische generierte Inhalte (etwa Weblogs oder Datenbanken) ins Repositorium einzubinden, langfristig zu sichern und durchsuchbar zu machen.

Vieles, aber nicht alles kann programmiert werden, für anderes wären neue Denk- und Verhaltensweisen, neue Handlungsroutinen auf Seiten der Wissenschaft oder ein gänzlich anderer Rechtsrahmen (wie etwa eine allgemeine Wissenschaftsschranke) notwendig.3 Zu diesen neuen Denkweisen gehört, dass wir die Funktion eines Repositoriums selbst neu fassen wollen: Mittel- und langfristig soll media/rep/ mehr sein als ein Container für Texte, Bilder oder Videos: zum Beispiel auch ein Ort , an dem die Geschichte des Faches untersucht werden kann oder ein Forum des Austausches. Ein Anfang besteht darin, dass wir Werktitel (Filme, TV-Serien, Games) und erwähnte Personen als Linked Open Data (mit Hilfe von GND und wikidata) verzeichnen.

Das wäre dann die dritte und (vorläufig) letzte Lektion in Sachen Open Science: Auch die Tools und Werkzeuge von Open Science sind offen und können und müssen ständig erweitert, angepasst, modifiziert werden. Dasselbe gilt für die Auffassungen davon, was Wissenschaft ist und wie sie zu betreiben wäre.

  • 1Ich will im Rahmen dieses Beitrages nicht weiter auf die zentral wichtige Frage der Finanzierung eingehen. Es ist bekannt, dass gewinnorientierte Anbieter  durch double dipping, Author Processing Charges und andere Strategien Open Access als lukratives Geschäftsmodell entdeckt haben. Dem entgegen stehen Versuche, Prinzipien des Fair Open Access zu etablieren.
  • 2Vgl. Jeffrey Pomerantz: Metadata, Cambridge 2015, 65.
  • 3Vgl. Katharina de la Durantaye: Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke, Berlin 2014.

Bevorzugte Zitationsweise

Kammerer, Dietmar: Ein Open-Access-Repositorium aufbauen und einrichten. Ein Erfahrungsbericht von Dietmar Kammerer. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/ein-open-access-repositorium-aufbauen-und-einrichten.

Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.