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Die Petitionen von Damen zur Zulassung zum Studium (1904)

Petition 1904, Archiv der Universität der Künste Berlin (Ausschnitt)

GAAAP_ The Blog

100 Jahre Frauenkunststudium

Eine ganz kurze Chronik der Universität der Künste Berlin

18.12.2019

1919 sind die ersten Studentinnen an der Königlich akademischen Hochschule der bildenden Künste zu Berlin zugelassen worden. Die Studienplätze wurden nicht widerstandslos vergeben; es dauerte Jahre, eigentlich Jahrzehnte, dieses Recht zu erkämpfen. Die UdK Berlin hat dieses Jubiläum vergessen. Es ist in einer vergriffenen Publikation von 1993 niedergelegt und findet sich im Hochschularchiv dokumentiert in zahllosen Briefen, Petitionen und schließlich auf Immatrikulationslisten.

Auch ich bin erst kürzlich auf den Umstand von 100 Jahren Frauenstudium an der UdK Berlin aufmerksam geworden, anlässlich der Vorbereitung zu einer Veranstaltung,1 die mich fragen ließ, wie es um die Geschlechtergeschichte der Institution, an der ich arbeite, bestellt ist. Die UdK ist immerhin eine Kunstuniversität, deren Alter samt Vorgängerinstitutionen mit rund 300 Jahren veranschlagt und deren Größe mit vielen Superlativen versehen wird, und die mitten in Berlin gelegen doch Spuren aufweisen müsste der Kämpfe um sexuelle und geschlechtliche Anerkennung. Sie müssten sich doch niedergeschlagen haben, institutionell und ästhetisch: die erste Frauenbewegung, die Sexualreformbewegung um das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, die zweite Frauenbewegung mit ihren feministischen Ausstellungen und Filmfestivals, die Schwulenbewegung, queere Politiken …

Die Geschlechtergeschichte dieser Kunstuniversität ist noch nicht geschrieben. Zugleich reißen die universitätsinternen Auseinandersetzungen über Eignung und Zulassung nicht ab – vor allem, was Kennzahlen und Mittelverteilung betrifft, weniger im Sinne einer Selbstbefragung, wie weiß, bildungsbürgerlich und eurozentrisch diese immer implizit bleibenden Kriterien für Begabung eigentlich sind.2 So ganz lassen sich diese letzteren Fragen aber nicht mehr zur Seite schieben, und es findet durchaus eine Reflexion darüber statt, dass es heute zwar deutlich über 50% Studentinnen, aber nach wie vor nur 37% Professorinnen gibt und noch nie eine Präsidentin gab. Das hängt selbstverständlich miteinander zusammen – das Vergessene und das Aktuelle –, der übliche gender bias eben. In der Institution selbst sind sowohl Thematisierung als auch Abwehr dieser Tatsachen, so normal sie sind, manchmal eine aufreibende und immer auch persönliche Angelegenheit. Und so lese ich die Dokumente über den Einsatz für ein Frauenstudium als Zeugnisse politischer und affektiver Arbeit, der ich hier, fast zu spät und in kaum angemessener Form, Tribut zollen möchte.

1904

Eva Stort schreibt Prof. Anton von Werner, Direktor der Königlichen akademischen Hochschule der bildenden Künste zu Berlin. Sie bittet ihn «Damen zum Studium […] zulassen zu wollen, wie es an anderen deutschen Akademien schon geschehen ist, ihnen ein gleiches Recht zu gewähren, wie es Damen an der Königl. akad. Hochschule für Musik hierselbst schon lang gewährt wird und ihnen hierdurch die Möglichkeit zur Erlangung eines ernsten, gründlichen Studiums zu geben, eine Möglichkeit, die bis jetzt für sich ganz und gar der Malerei widmenden Frauen nicht gegeben ist.»3

Die handschriftliche Liste der Unterzeichnerinnen ist lang. 91 Frauen haben unterschrieben, darunter auch zeitgenössisch so bekannte Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz, Sabine Lepsius und Julie Wolfthorn, die später in Theresienstadt ermordet wurde. Der Brief war offenbar vom Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin lanciert worden, dem Eva Stort angehörte und der seit 1868 eine Zeichen- und Malschule für Frauen unterhielt sowie eine Darlehns- und Unterstützungskasse betrieb.

Direktor von Werner, ein Historienmaler, der für eine konservative Akademieausbildung einstand und sich von Bewegungen der Moderne wie der Berliner Sezession, die dem Impressionismus nahe stand, dezidiert absetzte, antwortet mit Verweis auf das Statut der Hochschule: «Schülerinnen finden keine Aufnahme.»4 Dabei ging es ja darum, das Statut zu ändern.

1905

Ein Jahr später, 1905, wurde über das Preußische Abgeordnetenhaus dem Akademiedirektor eine Petition von 206 Frauen zugestellt. Sie kam vom Abgeordneten Otto Münsterberg und von Werner antwortet ihm mit etwas mehr Mühe. Es sei vor allem das Aktzeichnen, das die Aufnahme von Frauen unmöglich mache, weil sich «unter den mir bekannten Künstlern keiner hergäbe Damen im Studium nach den Nackten zu unterrichten und ich selbst würde eine solche Zumutung an mich als eine persönliche Beleidigung zurückweisen».5 Nur, so von Werner, die «sezessionistisch geleitete Kunstakademie in Königsberg»,«Cassel» sowie die «Damenkunstschule in Berlin» hätten Frauen aufgenommen, alle anderen deutschen Kunstakademien nicht. Andererseits, die Königl. akademische Hochschule für Musik zu Berlin nahm zu dem Zeitpunkt schon «Elevinnen» auf. An der Friedrich-Wilhelms-Universität waren Frauen bereits als Gasthörerinnen zugelassen, ab 1908 konnten sie sich regulär einschreiben.

1919

Im Januar 1919, also fast 15 Jahre später, schreibt Margarete Schubert. Im November 1918 war die Republik ausgerufen und nach jahrzehntelangem Kampf der ersten Frauenbewegung das Frauenwahlrecht durchgesetzt worden. Offenbar hatte sich Margarte Schubert schon mehrfach an die Akademie gewandt:

«Im Oktober hatten wir Frauen noch nicht die gleichen Rechte mit den Männern, aber da die neue Regierung uns nun mal dieses Recht zugestanden hat, müssen wir doch auch unsere Vorteile wahrnehmen […] ich habe 2 Privatschulen probiert, ohne sehr große Befriedigung. Das ist alles nur halbes Wissen was man lernen kann».6 Margarete Schubert war im selben Jahr auch Mitbegründerin des Arbeitsrats für Kunst, der sich für eine Rätedemokratie einsetze und, was die Akademie betrifft, gleich für deren Abschaffung eintrat.

Im Sommersemester 1919 wurden schließlich 18 Studentinnen aufgenommen, einige «zur »Probe. Es wird vermerkt, wie sie sich machen. Bei Margarete Schubert steht: «bisher schwache Leistungen». «[F]leißig gute Fortschritte» heißt es bei Henny Fuchs. Sie wird einen der Söhne Sigmund Freuds heiraten und erst nach Frankreich, dann in die USA emigrieren. Bei Martha Genkel, deren späterer Mann, der Maler Georg Ehmig, sich mit dem Nationalsozialismus recht gut arrangierte, heißt es in den Akten der Akademie schlicht, «gut».7 So auch bei Marlene Mehner, die zuvor am Bauhaus Weimar aufgenommen worden war. Von anderen dieser ersten Studentinnen ist noch weniger in Erfahrung zu bringen, künstlerisch ist kaum etwas überliefert. Offen bleibt daher die Frage, was die Aufnahme von Künstlerinnen im Ästhetischen verschoben hat.Klasse Wolfsfeld, aus: Krausse: Lotte Laserstein; Berlinische Galerie, Foto: Annik Wetter

1921 beginnt Lotte Laserstein an der Hochschule für bildende Künste bei Erich Wolfsfeld zu studieren. Sie ist wie so viele im Verein der Berliner Künstlerinnen organisiert. Der Verein hatte sich mit Einführung des Frauenstudiums neu ausgerichtet und existiert nach wie vor. Laserstein wurde eine bekannte Malerin der Neuen Sachlichkeit.8 Sie malte Frauenakte, Frauen- und Selbstporträts, die die etwas eiserne Malweise vieler neusachlicher Künstler nicht nur wegen der Sujets beinahe ironisch bricht. 1937 ist sie nach Schweden geflohen. Heute heißt eine Straße zwischen Bahnhof Südkreuz und Autobahn nach ihr.

À suivre.

  • 1DiVAversity of the Arts, UdK Berlin 2019; Diva. Strategien der Gleichstellung in den Künsten, hrsg. v. Univeristät der Künste Berlin, die Frauenbeauftragte, Berlin 2019.
  • 2Siehe Art.School.Difference. Researching Inequalities and Normativities in the field of Higher Art Education, 2016; Ruth Sonderegger: Doing Class. Hochschulzugang, Kunst und das Gewürz-Andere, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Jg. 10, Heft 19 (2/2018), S. 93–100. DOI: http://dx.doi.org/10.25969/mediarep/1335.
  • 3 Dietmar Schenk: Anton von Werner. Akademiedirektor, Berlin 1993, S. 95 f.
  • 4Ebd., S. 97.
  • 5Ebd., S. 100.
  • 6 Archiv der UdK Berlin, Bestand 6/31
  • 7 Ebd.
  • 8Anna-Carola Krausse: Lotte Laserstein: Meine einzige Wirklichkeit, Berlin 2018.

Bevorzugte Zitationsweise

Peters, Kathrin: 100 Jahre Frauenkunststudium. Eine ganz kurze Chronik der Universität der Künste Berlin. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, GAAAP_ The Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/100-jahre-frauenkunststudium.

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