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Web-Extra

No Time to Die in a Quiet Place

Corona-Kino. Das politische Vorausahnen und die Ahnengalerie der verschobenen Filme

30.6.2020

Corona ist kategorisch: Die Pandemie ist ‹gründlich›, umfassend. Im symbolischen Sinn heißt das (und das ist ein sehr wichtiger Sinn, da wir ja – nicht nur als Kino konsumierende Wesen – stets auch in symbolischen Ordnungen leben): Corona bietet Bezugspunkte, einen Sinn-Rahmen für nahezu alles, was ist und was kommt. So auch für kommende Filme. Zumal für die mit Verzögerung anlaufenden Filme; jene, die ursprünglich Mitte März 2020 oder in den Wochen und Monaten danach in Kinos hätten kommen sollen und nun in den Hochsommer oder Herbst verschoben werden. Ab und an tauchen sie in unseren medialen Augenwinkeln auf, als Titelnennungen in den Fußnoten zu abgesagten Kulturveranstaltungen und Events.

Wenn sie dann wieder kommen, die Filme, und wir auch, nämlich ins Kino, wo sie und wir ja hingehören (nicht nur, aber auch) – dann wird es vielleicht so werden wie schon bei 9/11. Der 11. September 2001 war das Datum der verheerenden jihadistischen Anschläge auf das New Yorker World Trade Center. Damals hieß es – fast schon apotheotisch gegenüber der postmodernistischen Simulationsthese á la Baudrillard –, das Mainstreamkino, zumal Hollywood, habe in seinen zerstörungsseligen Action- und Katastrophenfilmen dieses Vernichtungsereignis immer schon vorweggenommen, gleichsam vorweg inszeniert. Entsprechend wurden viele Filme, die im Spätsommer 2001 schon längst geschrieben, abgedreht oder sonst wie fortgeschritten in Produktion waren und in den Monaten danach ins Kino kamen, auf ihre 9/11-Trauma-Ikonografien und -Plots hin gesehen (und gehört); ein Phänomen, das mit abgeschwächter Dringlichkeit weiter anhält.1 Allerdings: Ein noch größeres Gedächtniskultur-Medienevent war der erste Jahrestag von 9/11, den größten Niederschlag im Kino hatte das Gedenken zum fünften Jahrestag im Jahr 2006 (mit World Trade Center2 und United 933)4; der zehnte Jahrestag schaffte es gerade noch einen Tag lang unter die Top-News, und der zwanzigste im September 2021 wird wohl überschattet sein von, oder fusioniert sein mit, einem Corona-bezogenen Jahrestag, zumal die Corona-Krise (und zuvor die «Finanzkrise» von 2008) 9/11 längst den Rang als Epochenmarker abgelaufen hat.

Was nun Film und Kino betrifft, so waren in den ersten Tagen der Katastrophe von 9/11 die Fernsehprogramme – bei damals noch geringer Internet-Konkurrenz – massiv betroffen. Das reichte von zahllosen Dauersondersendungen und einigen Screens im buchstäblichen Blackout, weil manche Privatsender kurzfristig als Trauerbeflaggung ein Schwarzbild ausstrahlten, bis hin zum wochenlangen Verzicht auf das Senden von Action-, Kriegs- und Katastrophenfilmen (für die Fernsehen damals noch eine wichtige Plattform darstellte; die BBC etwa ersetzte am 15. September 2001 die britische Free TV-Erstausstrahlung von Strange Days 5 durch die von Pulp Fiction6). Auf Kino-Programmierung hingegen wirkte sich 9/11 wenig aus: Prominent wurde der Teaser des ersten Spider-Man-Films7 mit Tobey Maguire (einem Auftakt des Superhelden-Franchise-Wesens wie wir es heute kennen), der im Sommer 2001 ein zwischen den Türmen des World Trade Center gespanntes Riesenspinnennetz zeigte und prompt aus dem Kinoverkehr gezogen wurde. (Im Netz kursierte das Netz dann in unscharfen Fassungen.) Michael Bays im Sommer 2001 gestarteter zerstörungsorgiastischer Luftangriffstrauma-plus-Gegenschlagstherapie-Kriegsblockbuster Pearl Harbor8 hingegen – ein 9/11-Film avant la lettre, if ever there was one – erlebte in den Tagen nach 9/11 unbehelligt einen goldenen Kinoauswertungsfrühherbst. Eine lokale Fußnote war Dick Maas’ US-Remake seines Holland-Horror-Hits De lift – Fahrstuhl des Grauens, das unter dem Titel Down9 und mit der noch unbekannten Naomi Watts in der Hauptrolle in den Niederlanden Anfang September 2001 einen fulminanten Kinostart absolviert hatte, um dann, als Schocker rund um tödliche Hochhausaufzüge, aus Pietätsgründen sofort aus dem Programm genommen zu werden. Und natürlich wurde das eine oder andere mit patriotischen Ermächtigungsphantasmen aufladbare Hollywood-Release nach 9/11 einer verzögernden Feinjustierung seines Starttermins bzw. PR-Diskurses unterzogen (Collateral Damage10, Windtalkers11). Ein Phänomen aber, dass wie im Kino-Frühjahr 2020 ganze saisonale Produktpaletten und jahrelang vorbereitete Groß-Releases samt Kampagnen und Merchandising um mehrere Monate oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden, ist – wenn auch nicht des guten Tons wegen – einmalig. (Auf dieses Attribut zielen Blockbuster-Filme seit jeher routinemäßig ab; selten werden sie ihm so gerecht wie mit diesem Totalausfall.)

Corona steckt alles an: Alles bekommt einen Beiklang, einen vielsagenden, impliziten C-Bezug von nachgerade paranoider (coronoider) Art. Paranoia ist uns heute allzu vertraut als Gefühlstriebkraft von Hetze und Ressentiment, zumal im Netz. Aber es gilt auch zu bedenken: Dem Neben-Denken, dem versetzten Bewusstsein als Über-Bewusstsein, das Paranoia seiner Wortherkunft nach bezeichnet, wohnt ein Moment von Kategorie-Bildung, also Grundlegung von Verstehen, inne.12 Dieses Moment lässt sich wahren, wahrnehmen, wenn dabei auch der Versetzungsaspekt der Paranoia gewahrt bleibt. So wie wir das hier versuchen, nämlich mit einem Sprachspiel von quasi-paranoiden (um nicht zu sagen protoparanoiden oder paraparanoiden) Deutungen, das dezidiert nicht zu einem Pathos des Als einzige alles durchschaut-Habens auflaufen soll, wie man es von Weltverschwörungsgläubigen mit und ohne Aluhut kennt. Paranoia ist hier also gemeint als eine ihre eigene Prekarität mit artikulierende Alles-Erklärung aus dem Versetzten heraus, im Setzen auf diese intrinsisch unhaltbare Position. Das ist dem Gegenstand angemessen: Blockbuster müssen, da sie möglichst keine Publikumsgruppen ausschließen sollen, schon im Ansatz tendenziell allen alles erklären bzw. allen Sinn bieten (im Sinn von Spaß, Empfindungen, Aha-Effekten etc.). Im Folgenden geht es aber um versetzte Filme, um Filme, die im vollen Wortsinn verschoben sind: Psychoanalytisch gesehen, sind sie in ihrer thematischen Bedeutung verschoben; programmkalendarisch gesehen, sind sie dies kraft eines delay. Und ein delay ist ein Echo, das im Getöse der Film-Releases mitschwingen wird – und das hier auch, jetzt schon, zeitversetzt, zuvor erklingt: allein schon in den (sowieso und jetzt noch mehr) verheißungsvollen Titeln der unten genannten Filme, sowie aus ihren bereits verfügbaren Trailern und ihren abgebrochenen oder sorgsam weitergeköchelten Werbekampagnen. Sprich: Im Sinn des Corona-Kategorischen scheinen auffallend viele Filme gerade als verschobene ganz an ihrem Platz zu sein.13 Sie finden ihren Platz und ihren Sinn im delay, definiert durch eine eigenartige Zeit. Darauf deuten die Titel zweier prominenter Franchise-Filme an, die im März 2020 Corona-bedingt auf später im Jahr verschoben wurden: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben und noch nicht tot – No Time to Die14, schon gar nicht in A Quiet Place15. Wobei es genau genommen um A Quiet Place 216 geht, um Place Two bzw. An All Too Quiet Place.

Trailer: No Time to Die

Wenn wir die nicht gestorbenen, aber auf Eis gelegten Corona-Filme sezieren – wie ein coroner, ein Leichenbeschauer – und dabei zunächst auf ihren Raum-Aspekt schauen (der Zeit-Aspekt hat noch etwas Zeit), dann ist dieser all too quiet place ein gerade ob seiner Ruhe verdächtiger, beunruhigender Ort. Das gilt für das Kino als Ort des stillen Genusses von Filmen, auf das 2018 der Erfolgshorrorfilm A Quiet Place mit seinen uns alle zum Absolut-still-Sein verurteilenden, weil alles hörenden Killermonstern anspielte (ähnlich zuvor schon der Schocker Don’t Breathe17 und nun eben das Horror-Pre-/Sequel vom stillen Örtchen Teil 2): Ganz so radikal wie die Kinos jetzt still sind – weil in ihnen keine Filme laufen und keine Leute sitzen und schweigen (geschweige denn kreischen) – war’s wohl doch nicht gemeint.

Übrigens auch nicht im Eröffnungsfilm des schon Mitte März abgesagten Grazer Austro-Filmfestival Diagonale – um kurz das österreichische Kino zu streifen –, in Elke Groens Der schönste Platz auf Erden18.

Trailer: Der schönste Platz auf Erden

Ganz so schlimm war’s nicht gemeint – das meint hier Folgendes: Der Dokumentarfilm Der schönste Platz auf Erden entfaltet soziale und politische Selbstbekundungen, Vorstellungen von Zugehörigkeit und deren bauliche wie rituelle Alltagsräume von Leuten verschiedener Ethnien und Parteibindungen im burgenländischen Pinkafeld, laut Eigendefinition an der Autobahnabfaht «schönste Ortschaft Europas» (bei einem Blumenschmuckwettbewerb 2002); der Film tut dies unter Einbezug von deren prominentestem Einwohner, FPÖ-Chef Norbert Hofer, in dessen Bundespräsidentschafts-Dauerwahlkampf 2016 der Schlüsselbegriff Heimat so penetrant und hegemonial wurde, dass auch Hofers grüner Gegenkandidat, das nunmehrige Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen, ihn zum Einsatz bringen zu müssen glaubte und ihn seitdem nicht mehr loswird – also, ganz so war das vielleicht nicht gemeint mit dem schönsten Platz auf Erden, der die Heimat ist bzw. sein soll: das Zuhause, in dem zu bleiben die türkisgrüne Schulterschlussregierung der Bevölkerung verordnet, das Zuhause, in dem Home Office und Streaming-Konsum brav verrichtet werden, auch die Teilnahme an ersatzweise ins Netz verlegten Filmfestivals wie der Online-Diagonale. Wie bei Heimarbeit und universitärem Home Schooling treten solche medialen Praktiken allerdings mit der ihnen innewohnenden Dynamik (und Beglückungsverheißung) an, derzufolge ein ans Improvisieren appellierender Notbehelf sich als Dauereinrichtung aufdrängt. Die Netzgängigmachung von – vermeintlich nur zeitweise – aufgegebenen öffentlichen Orten physisch-affektiver Versammlung (mit protodemokratischem Charakter) ist etwas, das wirst du so leicht nicht mehr los. (Ein paar Kabel in der Wohnung mögen für jene, die den Raum, die Infrastruktur, das Geld, die Zeit und die formale Bildung dafür haben, schnell verlegt sein; ein geschlossenes Kiezkino oder unabhängiges Kulturzentrum sperrt so schnell nicht mehr auf.)

Das wirst du nicht los: Eine technologisch innovative Glücksverheißung, die alles befällt und nicht mehr loszuwerden ist, davon handelt das aktuelle Filmdrama der Wiener Regisseurin Jessica Hausner. Ihr hätte auf der Diagonale ein Tribute gewidmet sein sollen, und insofern ist auch ihr Little Joe19, obwohl bereits im Winter 2019/20 im Kino gelaufen, ein wenig ein Corona-verschobener Film. Dieser creepy und sozialsatirische Science-Fiction-Thriller handelt von sorgfältig gezüchteten happy plants, im vollen Doppelsinn – Pflanzen, die happy machen, und plants, Betriebsanlagen, hier: von Weißkitteln, unter Happiness-Diktat. Die titelgebenden Blumen, deren Pollen Glückshormone freisetzen, infizieren von ihrem quiet place aus, einem stillen, sterilen, durch Überwachungskameras behüteten Zuchtlabor, allmählich die um sie herum tätige menschliche Population mit debilem Frohsinn und forciertem team spirit. Ganz wie ihn gegenwärtig das Kabinett Kurz-Kogler der österreichischen Bevölkerung verordnet; zur Belohnung beschützt es sie mustergültig vor allem Fremden und vor allen Erregern von Empathie mit unösterreichischen Lebensformen.20

Trailer: Little Joe

Groen und Hausner also: Zwei österreichische Regisseurinnen machen Filme über geschlossene Arbeitsorte bzw. Einschlüsse im Daheim. Hollywood-Filme der mittelgroßen Kategorie wiederum zeigen Frauen im Einschluss im Daheim, das für viele von ihnen der Ort unbezahlter Reproduktions- und Pflegearbeit ist. Einer der letzten Erfolgsfilme vor der Sperre der Kinos in Österreich ist der Ende Februar gestartete Paranoia-Thriller The Invisible Man21. Der Film verschiebt den alten Universal-Horror-Stoff auf die Perspektive einer von ihrem unsichtbaren Ex-Freund verfolgten Frau und präsentiert sich dadurch wie eine Vorausahnung zu jenem Aspekt der nationalen Dauerquarantäne-Situation im Frühjahr 2020, auf den seitens Frauenhäusern mehrfach hingewiesen wurde: Die abgeschottete Sicherheit vieler werde für manche einen Zuwachs an Unsicherheit bewirken, nämlich für Frauen, die von häuslicher Gewalt seitens auszuckender oder eh immer schon übergriffiger männlicher Mitbewohner bedroht sind. Die Flucht der von Elisabeth Moss gespielten Heldin aus dem von Überwachungskameras geschützten Haus ihres reichen, narzisstischen Beziehungspartners zu Beginn von The Invisible Man ist da paradigmatisch; die Erfahrung, dass ihr später niemand glaubt, dass sie der Gewalt einer unsichtbaren – omnipräsenten, scheinbar omnipotenten – männlichen Aggression ausgesetzt ist, ist wohl realistisch.22

Trailer: The Invisible Man

Dass die Zahl der einschlägigen Anzeigen und Frauenhaus-Kontaktaufnahmen in Österreich im April 2020 weniger stark als erwartet zunahm, führten Sprecherinnen von Gewaltschutzeinrichtungen (sehr plausibel) darauf zurück, dass viele Frauen ihr eigenes Leiden unter männlicher Gewalt als etwas betrachteten, das in der allgemeinen Corona-Krise zweitrangig sei, weshalb sie, in einer vom Patriarchat und von der Durchhalte-Propaganda eingetrichterten Dulderinnen-Haltung, Hilferufe hinausschoben.23 Als ließe sich Hilfe so einfach verschieben wie ein Kinostart. Auf den Spuren des Erfolgs von The Invisible Man wäre im Mai ein weiterer merklich Post-#MeToo-angespitzter Wohnungs-Klaustrophobie-Paranoia-Thriller gestartet: The Woman in the Window24, mit Amy Adams als wegen Agoraphobie in ihren vier Wänden eingeschlossene Psychologin; auch ihr glaubt niemand, auch hier ist Solidarität zwischen Frauen ein aufgrund von sozialem Außendruck prekäres Gefüge.25 The Woman in the Window: Dieser Film teilt sich den Titel mit dem (ganz anderen) Paranoia-Thriller-Klassiker von Fritz Lang aus dem Jahr 194426. Allerdings: In unserem durch protektionistischen Heimat(grenz)schutz beruhigten und von Führerkult ergriffenem Land (Österreich) geht es nicht um Lang. (Sondern um Kurz.)

Trailer: The Woman in the Window

Frauen unter Druck und Überwachung in ihren vier Wänden: Diesem Thema galt auch der für einen kleinen Österreich-Kinostart im März vorgesehen gewesene Seberg27. Nicht um den in Österreich vermutlich prominenteren Bürokratie-Bashing-Komiker Gregor Seberg geht es darin, sondern um die Hollywood- und Nouvelle Vague-Schauspielerin Jean Seberg (gespielt von Kristen Stewart), die sich um 1970 als progressive weiße Celebrity mit der militanten Black Power-Bewegung in den USA solidarisiert. Dafür wird sie vom FBI auf eine Liste potenzieller Gefährder_innen gesetzt, in der Presseöffentlichkeit strategisch verleumdet und in ihrem Alltag heimlich überwacht. Die sprichwörtlichen Wanzen, die dabei in ihren Wohnräumen platziert werden, bugs nämlich, sind im Englischen homonym mit Krankheitserregern: «to catch a bug» heißt «sich was einfangen», bakteriell oder viral. In Sachen Infektionsangst und Unsicherheit at home war Seberg also vorausahnend realistisch.

Trailer: Seberg

Dass allerdings eine autoritäre Staatsregierung Akte antirassistischer Solidarisierung unterbindet, das ist weit hergeholt und gibt’s wohl nur im Film. Drum sei auch, mit Blick auf kleine Kinostarts, die im März der Pandemie zum Opfer fielen, ein anders perspektivierter Hollywood-Film über realen zeithistorischen Heroismus genannt: Einen Mann, durch Verleumdung belagert und geheimpolizeilich überwacht im eigenen Haus, zeigt Richard Jewell28, der Vielleicht-Abschiedsfilm des neunzigjährigen Clint Eastwood. Sein Titelheld ist ein Security-Angestellter (in seiner Freizeit Uniformfreak und begeisterter Waffensammler), der bei einem – rechtsterroristischen – Bombenanschlag auf die Olympischen Spiele in Atlanta 1996 zum Retter wird, indem er gerade noch rechtzeitig Platzverbote ausspricht und eine lokale Musikgroßveranstaltung auflöst, um höhere Opferzahlen zu verhindern. Er wird dann in der gehässigen Medienkampagne einer als kaltherzig bitchy gezeichneten Karrierejournalistin bezichtigt, die Bombe selbst gelegt zu haben, um als Held brillieren zu können. (Unterstellungen solcher Art kennt der Verschwörungsdiskurs zu Corona zuhauf.) Ein rechter Film über einen rechten Retter am rechten Ort, zur falschen Zeit gestartet – und insofern am rechten Platz.29

Trailer: Richard Jewell

Österreich hat die vom Kanzler und seinen Getreuen so benannte «größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg» mutig angenommen und diesen Wettbewerb als europaweiter Pandemiemaßnahmen-Klassenbester bestanden.30 Es folgt allgemeiner Jubel wie am Ende eines Michael Bay-Katastrophenfilms. Austria is no place to die in an unquiet time. Der Anspruch der österreichischen Rechtsregierung unter grüner Beteiligung, den Mainstream der EU-Politik in wechselnden Allianzen oder Querulanzen hin zu Renationalisierungen umzulenken, führt uns zum leidigen Problem der Euro-Bonds. Und damit aber auch wieder in Kalauer-Reichweite eines in etwa namensgleichen Corona-affizierten Film-Phänomens, das ebenfalls im großkapitalen Investititionsbereich situiert ist. Euro-Bonds also, genau im Sinn von Anleihen: Diese nimmt der neue, in die Zukunft verschobene Bond bei seiner Vergangenheit. In No Time to Die, dem ersten von einem US-Regisseur (Cary Fukunaga) inszenierten Exemplar des mit reichlich Euro-Flair umwehten James Bond-Franchises, dem Bond, mit dem Daniel Craig in der 007-Rolle wenn schon nicht sterben, so doch abtreten wird, kehren einige Figuren aus dem Vorgängerfilm Spectre31 wieder. Das ist für dieses Franchise ebenso ungewöhnlich wie übrigens das Thema einer Supervillain-induzierten Virenbedrohung: Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass von den mittlerweile 25 James Bond-Filmen jeder dritte ein Biowaffenszenario ausbreitet, mit Pandemiedrohung hier, Killervirenlabor dort – aber nein, zumeist handelt es sich da um Nervengase oder Atomstrahlung; tödliche Viren bietet de facto wohl nur der recht atypische Bond von vor 50 Jahren: On Her Majesty’s Secret Service32 ist der Bond-Film, der es nach dem Abtreten des Ur-Bond Sean Connery mit der Formel «Less gimmicks, more plot» versuchte. Es ist der einzige Bond-Film mit einem nur einmal zum Einsatz kommenden Hauptdarsteller, nämlich George Lazenby. Ihm gegenüber verkörperte Telly Savalas den dauerbeschäftigten Villain Ernst Stavro Blofeld, der sein Infektionsprojekt Virus Omega zwecks weltweiter Ausrottung von Nahrungspflanzen und -tieren in einer hochalpinen (Schweizer, nicht österreichischen) Klinik zur Behandlung gängiger Allergien tarnt. Den nunmehr mit anderen, nicht-viralen Weltbedrohungsvorhaben befassten Blofeld in Spectre und No Time to Die spielt Christoph Waltz.

Soviele Blofelds, Bonds und Erreger: Die Logik der Wiederholung ist die vielleicht stärkste Determinante unter den zeitlichen Kategorien des Kinos der nicht chronisch-, aber temporär-coronisch aufgeschobenen Filme. Das fällt eben besonders dann auf, wenn sie, die uns so oft in Form von Remakes, Sequels und Franchises begegnet, nun für einige Zeit außer Kraft gesetzt ist. In den Fortsetzungen, die zuverlässig auf Hits folgen, und den immerzu expandierenden Kino-Universen schwingt auch das Versprechen von Sicherheit als Kontinuität und beständiger Wiederholung mit (wenn schon sonst auf recht wenig, kann man sich zumindest auf den zweiten oder zweiundzwanzigsten Teil des Fanobjekts der Begierde verlassen).33 Und das in mehrfachem Sinne, den Corona nun affiziert bzw. infiziert: Die Antagonist_innen in den Comic-Franchises z.B. haben Gestalt, sie sind massig und meist allein mit Muskelkraft zu bezwingen. Ein Virus hingegen ist für das Auge unsichtbar und bietet auch keinen guten – sprich: gut inszenierbaren – Counterpart. Superheld_innen, aber auch -monster, können nichts gegen die mikroskopisch kleinen (streng genommen keine Lebe-)Wesen ausrichten (wobei: Ant-Man vielleicht). Ein Dämpfer für Omnipotenzfantasien etwa der Marke Marvel, sprich: Disney – ein Studio, das zwar weiterhin die Medienlandschaft, im Gegensatz zur letzten Dekade diesen Sommer aber zumindest nicht die Leinwände dominieren wird.

Ein Virus kann der Menschheit also auch zugutekommen – sagen Disney-averse Scherzbolde oder ernsthaft nur «Überbevölkerungs»-Spinner_innen und solche, die in jeder Krise sogenannte Chancen wittern. Vor fünfzehn Jahren taugte diese Idee allerdings noch zum Blockbuster – und wirft auf diesen durch die Corona-Optik ein neues Licht: In Steven Spielbergs von 9/11-Motiven durchtränktem War of the World34 haben weder das Militär noch ein mutiger Hero (geschweige denn durch und durch militarisierte Heroes) den Aliens den Garaus gemacht, sondern – wie schon in der 1953er Verfilmung des H.G. Wells-Stoffes – Mikroben, auf die das Immunsystem der außerirdischen Invasoren nicht vorbereitet war. Schließlich hieß es im Voice-Over des Spielberg-Films sinngemäß, die Menschheit habe das Recht auf den Planeten gepachtet oder verdient, da sie zur Koexistenz fähig sei mit dem, was so auf ihm kreucht und fleucht. Obligatorische Hinweise auf Ressourcen-Raubbau und Pandemien, die schon mal große Teile der Erdbevölkerung dahinrafften, hin oder her: Wo also Krankheitserreger als unverhoffte Menschheitsretter in Erscheinung traten, fungierte die Katastrophe ganz nebenbei – oder im Sinne von Hollywood-Double-Plotting von Action & (Family) Romance: ganz zentral – als Familienretterin; schweißt sie doch den von seinen Kindern entfremdeten Daddy wieder mit Tochter und Sohn zusammen.

Family-Entertainment war der zappendustere War of the Worlds aber dezidiert nicht. Ein sich fast zur Gänze dieser Unterhaltungsform verschreibendes Studio baut allerdings auf die «Krise als Chance», um die Familie oder zumindest die Kinder vorm Heim-TV zu versammeln. Nicht unbedingt um des Bondings Willen (die Bond-Reihe gehört Disney – noch! – nicht); sondern um zumindest zwei Stunden des Tages Ruhe voneinander zu haben – oder eben mehr. Es geht immer ein zweiter oder dritter Film: Binge-Watching als Konfliktvermeidungsstrategie zusammengepferchter Zwangsinsass_innen (oder Coping-Strategie von Zwangsarbeitslosen) – was für eine Branding-Chance für Disney+, das sich von den Corona-Sicherheitsvorkehrungen naheliegenderweise wohl insgeheim eine Zunahme der Abonnements und Rekrutierung weiterer Fans von klein auf erhofft. Zwar ist die Mitgliederzahl seit dem Launch Mitte November 2019 in den USA, Ende März diesen Jahres in Teilen Europas und Indiens absolut gesehen vielversprechend, im Vergleich zu Netflix lässt sie aber zu wünschen übrig – noch! Nachdem Disney sein gesamtes Angebot von der Konkurrenz abgezogen haben wird, zählt der Gigant wahrscheinlich zu einem dieser ominösen «Krisengewinner».

Auf der Liste der verschobenen Filme, die früher oder später auf Disney+ abzuspielen sind, finden sich wieder zwei zu Superhero-Franchises gehörende, die auch ganz ohne Corona (zu?) spät in die Kinos kommen. Zum einen The New Mutants35, ein X-Men-Spin-off, das bereits für 2018 geplant war und eine neue Generation von Mutant_innen einführen sollte (nach dem Aufkauf von 20th Century Fox gerüchteweise sogar ins Marvel Cinematic Universe).

Trailer: New Mutants

Diese befinden sich seither in der sogenannten production hell (so wie Godzilla und King Kong, zwei Kings, die auf ihre Krönung ebenfalls nicht wegen Corona warten müssen36) – sie dürfen, wie wir, nicht wirklich bzw. nur sporadisch (z.B. in Form von Teasern) raus. Passenderweise, weil dieser Film ständig mutiert: Wie die jugendlichen Held_innen nicht aus der geheimen Forschungseinrichtung entfliehen können, ist The New Mutants jahrelang nicht seinen zahlreichen extensiven Reshoots (mittlerweile eine übliche Praxis) entkommen. Und selbst wenn das fertige Produkt auf den Markt geworfen wird, ist es vor Veränderungen nicht sicher: Kurz nach dem Release werden wir vermutlich diverse Extended oder Director’s Cuts erwerben können – und uns im kommenden Winter außer vor Mutant_innen-Horror möglicherweise sogar vor einem neuen, mutierten Corona-Virus fürchten (das ja seinerseits schon eine Art Nachfolger oder Upgrade, nämlich von SARS, ist). Als wären die X-Movies nicht auch ohne C-Bezug schon Allegorie- (und Warenform-)affin genug.37

Auch im zweiten Superherofranchise-Film schmort die Heldin sozusagen im Purgatorium: Black Widow38 (Scarlett Johansson), ihres Zeichens kampferprobte Geheimagentin ohne Superkräfte, aber trotzdem Teil der Avengers, ist – Spoiler-Alert? – 2019 im letzten Marvel-Großmovie, The Avengers: Endgame39, gestorben. Nachgereicht sollte nun eine Art Prequel werden, dessen Protagonistin also eine Untote ist. Diese weiß das nicht, wir aber schon: Ein suspendierter Film und Suspense – ein Wissensgefälle zwischen Publikum und Filmfigur – in Praxis: Wir sehen sie, wissend, dass sie bald gestorben sein wird. Statt Spannung stellt sich aber ein Gefühl der Gewohnheit ein: Schon ein Jahr nach The Avengers: Infinity War40 ist ja der halbe Cast, den es da in Pixelasche aufgelöst hat, in Endgame wieder von den Toten auferstanden. Gerade dies ist – trotz der notorischen Nach-Ostern-Auferstehens-Metaphorik in Durchhalteansprachen des Kanzlers – einigen im potenziellen Publikum von heute nicht gegönnt, sollte Corona sie erwischen. Die Frage, ob man es hat oder nicht, ist für jene ohne Zugang zu Tests wohl ebenso unter «Wissensgefälle» zu rubrizieren. Black Widow wird eine wandelnde Untote sein, jede_r von uns könnte wiederum zu den wandelnden Trodbringenden gehören. The Horror is real. Apropos Wissensgefälle: Wer sich neben Netflix, Amazon Prime Video und Co. nicht auch noch den gefühlt zehnten Video-On-Demand-Dienst ins Heim holen möchte oder leisten kann, geht halt leer aus (oder behilft sich anderweitig, piratisch eben).

Leer sind auch die Straßen, allerdings nicht wie erhofft wegen der Veröffentlichung von A Quiet Place 2, welche nach dem großen Erfolg des ersten Teils nur noch eine «Frage der Zeit» war.

Trailer: A Quiet Place 2

Dieser Fortsetzungsfilm kam genau zur unrechten Zeit: News-chronologisch gesehen handelte es sich bei A Quiet Place 2 um einen der ersten Filme, die Corona zum Opfer fielen (und für viele interessierte Kinokonsument_innen um ein erstes Anzeichen dafür, dass alles noch viel schlimmer werden würde). Dabei mutet er an wie eine Just-in-Time-Produktion: Im Trailer (wieder) Totenstille auf den Straßen; ein Ereignis, von dem sich die Menschheit wohl nicht so schnell erholen wird; eine Familie, die sich gezwungen sieht, aus dem Haus zu gehen, um zu überleben etc. Wie der erste Teil das Publikum lehrte, entgegen seiner Geräuschproduktions-Gewohnheiten im Kino still zu sein (manchmal ganz ostentativ-reflexiv qua Shushing-Geste, die die Film-Family und uns als Publikum adressiert 41), lehrt er auch: Draußen ist es gefährlich. (Und drinnen auch!) Und der zweite Teil lehrt vielleicht: Selbst die scheinbar harmonischste Familie übersteht den auf Dauer gestellten Ausnahmezustand nicht. Der Film knüpft direkt dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat, also mit Mama Emily Blunt ohne Papa John Krasinksy, dafür auf sich allein gestellt mit drei Kindern, eines davon ein neugeborenes. A Quiet Place 2 ist dennoch weiterhin ein Familienunternehmen: Zwar ist der ehemalige Vater-Darsteller bis auf die Parts, die die Alien-Invasion ab Tag Eins zeigen, nur mehr hinter der Kamera, als Regisseur, tätig, seine Auch-in-Echt-Ehefrau Blunt jedoch wieder davor. Und wir können ihr noch länger (optimistisch gesprochen: bis September) nicht beim Überleben zusehen – dafür aber ihrem Habschi, im Gegensatz zum Vibe des Films, beim Wohlgefühl-Verbreiten: Seit der zweiten Corona-Woche unterhält Krasinsky ein YouTube-Format, das ganz der Mitteilung positiver Nachrichten gewidmet ist – und reiht sich damit ein in jene Riege nun zwangspausierender Hollywood-Stars, die aus ihren Riesenhäusern die Stimmung der Leute in ihren Miniwohnungen zu heben trachten. Unter anderem trällert Gal Gadot (unabhängig von Krasinsky), die in Wonder Woman 198442 im Sommer ein Spätexemplar von 80’s-Hype und Neonfarben-Emphase à la Thor 3: Ragnarok43 nachgeliefert hätte, in einem Video mit Kolleg_innen ausgerechnet das abgenudelte «Imagine»44. Ja, stell dir vor, du kommst aus dem Augenrollen irgendwann wieder raus ...

Trailer: Wonder Woman 1984

Filme werden gedreht, Augen gerollt, aber am Ende dient ja beides der Wahrnehmung. Wenn wir schlussendlich und noch mehr dann im Herbst – wenn sie alle im Kino laufen und wir alle ins Kino gehen – den Eindruck gewinnen (werden), dass die Filme es immer schon gewusst haben, dann liegt das – ein letztes zeitliches Moment des kraft Corona verschobenen Kinos – schlicht und ergreifend, wie der kindliche Kanzler zu sagen pflegt, an der Zeit, am Jahr, an dessen Namen bzw. Zahl: 2020 – 20/20 vision heißt soviel wie perfekte Sehkraft, alles klar sehen. Jetzt sehen wir alles klar, jetzt sehen wir, was immer schon da war; im Jahr 20 sehen wir die Omnipräsenz eines Virus, das, als wolle es auf diese Ungleichzeitigkeit in Form von Vorgängigkeit hinweisen, in seinem Namen das Vorjahrsdatum führt – 2019 war COVID-19 außerhalb eines Teils von China kaum ein Thema. Jetzt sehen wir Corona überall. Wir werden nie wieder in einem ganz normal entspannenden Zombie-Apokalypsen-Film hustende Leute in einer U-Bahn oder medizinisches Personal mit Mund-Nasen-Schutz sehen können, ohne dabei gleich an eine Atemwegserkrankung denken zu müssen.

  • 1Einstürzende Wolkenkratzer, Staub- und Gerölllawinen, die sich durch die Straßen New Yorks ziehen, mit Asche bedeckte Menschen, und dahinter die Verursacher als alien forces: Das gesamte aus den Nachrichten sattsam bekannte und im Kino tradierte Motivregister mit eindeutigem Bezug wird mehr als eine Dekade später noch immer in den großen Comic-Franchises bemüht. Ganz so, als würde der Aufruf zum «never forget» nicht wirklich greifen und als bliebe nichts so recht im Hirn haften, wurde die Erinnerung an den Anschlag wachgehalten in The Avengers (Regie: Joss Whedon, USA 2012) oder Man of Steel (Regie: Zack Synder, USA 2013) das Jahr darauf – und die Trauma-Nachbearbeitung bzw. Trümmer-Aufbereitung in den Folgefilmen auch minuziös durchdekliniert. In Batman v Superman: Dawn of Justice (Regie: Zack Synder, USA 2016) fungierte sie gar als zentraler Plot-Point.
  • 2World Trade Center, Regie: Oliver Stone, USA 2006.
  • 3United 93, Regie: Paul Greengrass, USA u.a. 2006.
  • 4 Drehli Robnik: The Holy Shit: Zur Zeitlogik und Politik des Traumas und der Passion in Mainstreamfilmen zu 9/11, in: kolik.film, Nr. 6, Wien 2006, 123-135.
  • 5Strange Days, Regie: Kathryn Bigelow, USA 1995.
  • 6Pulp Fiction, Regie: Quentin Tarantino, USA 1994.
  • 7Spider-Man, Regie: Sam Raimi, USA 2002.
  • 8Pearl Harbor, Regie: Michael Bay, USA 2001.
  • 9Down, Regie: Dick Maas, USA/NLD 2001.
  • 10Collateral Damage, Regie: Andrew Davis, USA/MEX 2002.
  • 11Windtalkers, Regie: John Woo, USA 2002.
  • 12Fredric Jameson: Totality as Conspiracy, in: ders.: The Geopolitical Aesthetic. Cinema and Space in the World System, London 1992, S. 6-89.
  • 13In diesem Sinn der nachträglichen Platzfindung wäre Corona, mit dem Filmtheoretiker Thomas Elsaesser gesagt, eine produktive Pathologie.
  • 14No Time to Die, Regie: Cary Joji Fukunaga, UK/USA 2020.
  • 15A Quiet Place, Regie: John Krasinski, USA 2018.
  • 16A Quiet Place 2, Regie: John Krasinski, USA 2020.
  • 17Don’t Breathe, Regie: Fede Alvarez, USA/HUN 2016.
  • 18Der schönste Platz auf Erden, Regie: Elke Groens, AUT 2020.
  • 19Little Joe, Regie: Jessica Hausner, UK u. a. 2019.
  • 20Auf dieser Linie liegt auch das landesweite Abspielen der Bundeszweithymne, Rainhard Fendrichs I Am From Austria, nicht nur aus Wohnbauten, sondern auch aus Polizeiautos täglich um 18 Uhr in den frühen Tagen der massenweise ausgangsbeschränkten Heimquarantäne. Wohlgemerkt: Die «Funkstreife» rückt aus, die Leute nicht nur von Parkbänken wegzuscheuchen, sondern sie auch ihres gefälligsten From-Austria-Seins zu erinnern. Das Faktum, «aus Österreich» zu sein, ist an sich trivial (weil in Österreich weit verbreitet); wird aber so oft und so polizeilich darauf hingewiesen, erhält diese Ansage ihren Sinn qua Differenzierung – nämlich als eine Einforderung volksgemeinschaftlicher Zugehörigkeit, die impliziert, dass da ja auch welche nicht dazugehören. Dies in einem Land, dessen Kanzler beharrlich die ohne Staatsbürgerschaft im Land Lebenden nicht mit anspricht und die Aufnahme auch nur eines an Leib und Leben bedrohten geflüchteten Menschen aus den überfüllten Lagern in Griechenland und der Türkei kategorisch verweigert. Dem entsprechend war in Österreich die Lage der (besonders Corona-vulnerablen) Refugees, und sei es als ein auch nur zu erwähnendes Thema, für gut zwei Wochen zur Gänze aus dem Sondersendungs- und Durchhaltebetreuung-Bombardement des öffentlich-rechtlichen ORF-Fernsehens verbannt.
  • 21The Invisible Man, Regie: Leigh Whannell, USA 2020.
  • 22Toxic masculinity heißt das heutzutage, auch unabhängig von Krankheits- und Kontaminationskontexten.
  • 23Mittag in Österreich, Nachrichtenmagazin des ORF, Ausg. vom 27.4.2020, Beitrag Häusliche Gewalt – Frauenhäuser verzeichnen keinen Anstieg.
  • 24The Woman in the Window, Regie: Joe Wright, USA o.J.a.
  • 25Randbemerkung: Das als Kino-Release von Juni auf September verschobene Sequel zu Candyman (Regie: Nia DaCosta, USA 2020) wird – nach dem 1992er Erstlingsfilm (Candyman, Regie: Bernard Rose, USA 1992), dem Trailer und dem Involvement von Jordan Peele zu schließen – auf rassistische und auf Klassen- eher denn auf Gender-bezogene Machtverhältnisse fokussieren, allerdings ebenfalls mit einem Akzent auf der Platzierung im Wohnraum-Alltag als Form von sozialer Segregation.
  • 26The Woman in the Window, Regie: Fritz Lang, USA 1944.
  • 27Seberg, Regie: Benedict Andrews, UK/USA 2019.
  • 28Richard Jewell, Regie: Clint Eastwood, USA 2020.
  • 29Die Etikettierung als rechts ergibt sich – cinephile Verehrung für Eastwood hin oder her – schon allein aus dem sexistischen, antifeministischen Entwurf der Journalistin als Figur und wäre anhand der Positiv-Bewertung von Attributen survivalistischer Aspekte rechtsmilitanter Organisationskulturen anhand der Titelfigur des Films noch weiter zu plausibilisieren.
  • 30Weiterführend: Drehli Robnik: Seit dem Zweiten Weltkrieg, in: skug musikkultur, https://skug.at/seit-dem-zweiten-weltkrieg/, upload 5.5.2020.
  • 31Spectre, Regie: Sam Mendes; UK u.a. 2015.
  • 32On Her Majesty’s Secret Service, Regie: Peter R. Hunt, UK 1969.
  • 33F wie Fans, Fortsetzung, Franchise und Fast & Furious – von diesem kommt mit F9 (Regie: Justin Lin, USA 2021) der schwer zu sagen wievielte Teil auch erst im Herbst. Rasend zu sein wie die Verbreitung einer Infektionskrankheit schützt vor Startschwierigkeiten nicht. Vielleicht kommt der Film ja dann auch ins Autokino (von dem es in Groß-Enzersdorf bei Wien eines gibt bzw. nach der Schließung 2015 nun wieder gibt: Es eröffnete am 15. Mai, einem in Österreichs Public History mit patriotisch-revisionistischem Befreiungspathos – «Österreich ist frei!» anno 1955 – aufgeladenen Datum, mit dem Meta-Retro-Vehikel Grease [Regie: Randal Kleiser, USA 1978]. Die Autokinobetreiber verwenden übrigens die Mailadresse sicheres-kino.at). Dem Modell drive-in cinema wird in Zeiten der Ansteckungsangst in Öffentlichkeiten des Intimen wie dem Lichtspiel-Haus eine unerwartete Renaissance prophezeit (dem Individualverkehr im PKW sowieso). Immerhin haben die Leute in ihren Fahrzeugen heute (im Freiluftkinobereich bespielbare) Stereoanlagen von Multiplex-hafter Leistungsfähigkeit.
  • 34War of the Worlds, Regie: Steven Spielberg, USA 2005.
  • 35The New Mutants, Regie: Josh Boone, USA 2020.
  • 36Godzilla vs. Kong, Regie: Adam Wingard, USA 2020.
  • 37S. dazu: David Auer: Das Kreuz mit dem X. Mutants als Friends der Fans im Popkulturrefugium, in: Drehli Robnik (Hg.): Put the X in PolitiX. Machtkritik und Allianzdenken mit den X-Men-Filmen, Berlin 2019.
  • 38Black Widow, Regie: Cate Shortland, USA 2020.
  • 39The Avengers: Endgame, Regie: Anthony & Joe Russo, USA 2019.
  • 40The Avengers: Infinity War, Regie: Anthony & Joe Russo, USA 2018.
  • 41Mehr zur Adressierung als «Dressur» im stillen Mitmachkino: David Auer: The Sound of Silence: Der stumme Zwang in A Quiet Place, in: kolik.film, Nr. 31, Wien 2019, 28-31.
  • 42Wonder Woman 1984, Regie: Petty Jenkins, USA 2020.
  • 43Thor 3: Ragnarok, Regie: Taika Waititi, USA 2017.
  • 44https://www.youtube.com/watch?v=cLPmMHX6eEU.

Bevorzugte Zitationsweise

Robnik, Drehli; Auer, David: No Time to Die in a Quiet Place. Corona-Kino. Das politische Vorausahnen und die Ahnengalerie der verschobenen Filme. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Web-Extra, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/no-time-die-quiet-place.

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