Nicht Nichtstun
Über Prokrastination
Abstract (Deutsch)
Der Aufsatz betrachtet Prokrastination als Problematisierung. Was sind die Machteffekte dieser Konstruktion? Wie lässt sich Prokrastination jenseits des therapeutischen Diskurses und seiner alltagsweltlichen Erfahrung lesen? Dem therapeutischer Diskurs liegen gouvernementale und neoliberale Vorstellungen zugrunde. Im Zentrum steht dabei das Aufschiebeverhalten von Wissenschaftler_innen und Studierenden. Kennzeichnend dabei ist die Individualisierung des ‹Problems›, die Tatsache, dass alle Bearbeitungsstrategien unabhängig vom Aufgeschobenen sind, und dass die Tätigkeiten, die im Zuge des Aufschiebens stattfinden, kaum beachtet werden. Die Rede von der Prokrastination und die Leerstelle einer sogenannten eigentlichen Arbeit verdecken, dass die Möglichkeit, zu prokrastinieren, ein Klassenprivileg darstellt. An die Stelle der eigentlichen Arbeit tritt in der Problematisierung Prokrastination eine uneigentliche – eine Arbeit, die nicht beanspruchen kann, eine solche zu sein. Deren Abwertung über die Praxis der Prokrastination ermöglicht, die eigentlichen Tätigkeiten aufzuwerten. Daher liegt im Prokrastinieren auch keine Widerständigkeit. Eine solche Lesart würde das Leid der Betroffenen, aber vor allem Klassenfragen und Herrschaft nicht beachten. Prokrastination lässt sich vielmehr in einen größeren Zusammenhang stellen: Die «Fabrikation des verschuldeten Menschen» (Lazzarato)
Abstract (English)
Not Idleness. About Procrastination
The essay regards procrastination as problematization. What are the power effects of this construction? How can we read and understand procrastination beyond therapeutic discourse or its everyday experience? The therapeutic discourse is based on governmental and neoliberal ideas, with a focus on academics and students. There are three characteristics: the individualization of the ‹problem›, the fact that all processing strategies are independent of the postponed, and that the activities that take place in the course of the postponement are hardly taken into account. The dicourse of procrastination and the gap of a so-called actual work conceal the fact that the possibility of procrastination is a class privilege. Within the problematization of procrastination, the actual work is replaced by an inauthentic work - a work that cannot claim to be such. Their devaluation via the practice of procrastination serves to valorise the actual work. Therefore procrastination is not resistance. Such a reading would not take into account the suffering of those affected, but above all class issues and rule. Rather, procrastination has to be placed in a larger context: «The Making of the Indebted Man» (Lazzarato)
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