Cisgender
Ulrike Bergermann über alte Medien und das Partikularisieren der Norm

Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch prägte das Wort schon 1991, man stritt sich noch eine Weile über die grammatischen Möglichkeiten des Neologismus, und nun hielt es Einzug in das Oxford English Dictionary: cisgender. (Genaueres zum Begriff cisgender hier und im Kommentar von Charlotte Mester unten). «Cis» kommt vom Lateinischen «auf der gleichen Seite» - als Gegensatz zu «trans».) Somit wird nicht nur die unbezeichnete Norm potentiell verandert, sie erscheint auch zwischen cisalpine, cisgiving und cisterne und wird so, kaum dass sie etwas Besonderes wurde, schon wieder eine von vielen.
Bildquelle: Trevor, Boston Public Library, Reading Room, 2011, Flickr.com - under CC-license CC BY-SA 2.0: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/
- Bergermann, Ulrike: Cisgender. Ulrike Bergermann über alte Medien und das Partikularisieren der Norm. In: Gender-Blog der Zeitschrift für Medienwissenschaft, online, 30. Oktober 2015, https://zfmedienwissenschaft.de/node/802.
Kommentare
Liebe Frau Bergermann,
ich freue mich, dass Sie über das Thema Cisgeschlechtlichkeit berichten und dadurch dazu beitragen, dass diese Geschlechtsidentität zunehmend weniger als Norm und Trans*- und nonbinary-Identitäten immer weniger als Abweichung von dieser "Norm" angesehen werden!
Hinsichtlich eines Punkts muss ich Ihrer Berichterstattung allerdings widersprechen. Im obigen Artikel schreiben Sie: "Eine Person ist cisgender, wenn sie der heterosexuellen Norm entspricht, sex- und genderkonform ist." Bezüglich der sex- und Genderkonformität haben Sie hierbei mit dieser Aussage vollkommem Recht, denn dies ist das Kriterium für eine Cis-Identität; jedoch nicht bezüglich der Aussage über die heterosexuelle Norm, denn Cisgeschlechtlichkeit ist (anders als beispielsweise Heterosexualität) keine sexuelle, sondern eine Geschlechtsidentität, und die Geschlechtsidentität eines Cis-Menschen sagt noch nichts darüber aus, ob sie oder er hetero-, homo-, bi-, pan- oder asexuell ist. Somit können auch Lesben, Schwule, Bi-, Pan- und Asexuelle eine Cis-Identität besitzen; der heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Norm entsprechen sie damit aber trotzdem nicht in vollem Umfang, weswegen sie (sofern ihr Geschlechtsausdruck von der Mehrheitsgesellschaft als eindeutig "männlich" bzw. "weiblich" gelesen wird) hetero(nicht: cis!)sexistischen Diskriminierungen ausgesetzt sind.
Viele liebe Grüße,
Charlotte Mester
Liebe Charlotte Mester,
vielen Dank für den Hinweis auf die notwendige Differenzierung von sexueller Identität und Geschlechtsidentität!
Ich nehme der Einfachheit halber oben einen Verweis auf Ihren Kommentar auf.
Herzliche Grüße, Ulrike Bergermann
Noch ein kleiner Nachtrag: Bei Cisgender ist außerdem wichtig, dass das hierbei von der Hebamme einem Menschen jeweils anhand der äußeren Genitale zugewiesene Geschlecht binär definiert ist, d.h., dass es sich eindeutig in die gesellschaftliche Geschlechterbinarität hineinverorten lässt. Hierdurch unterscheiden sich Cis- (und auch transgeschlechtliche)Menschen von denjenigen unter den intergeschlechtlichen Menschen, deren äußere Genitale sich nicht eindeutig in die Geschlechterbinarität pressen lässt (nicht jede Form der Intergeschlechtlichkeit bezieht sich jedoch (ausschließlich) auf die äußeren Genitale). :-)
Viele liebe Grüße,
Charlotte Mester
Neuer Kommentar